Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 59)

ich zugleich

Die sicher Treffende, hier den Getroffnen:

Ich seh den Bogen, der den Pfeil entsandt,

Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen,

Mich treffend! Allwärts ahn ich überquer

Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.

Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir

Rebellisch die Getreusten, meine Mauern

Unsicher. Also fürcht ich schon: mein Heer

Gehorcht der siegend-unbesiegten Frau.

Was bleibt mir übrig, als mich selbst und alles,

Im Wahn das Meine, dir anheimzugeben?

Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu,

Dich Herrin anerkennen, die sogleich

Auftretend sich Besitz und Thron erwarb!

LYNKEUS mit einer Kiste und Männer, die ihm andere nachtragen.

Du siehst mich, Königin, zurück!

Der Reiche bettelt einen Blick,

Er sieht dich an und fühlt sogleich

Sich bettelarm und fürstenreich.

Was war ich erst? was bin ich nun?

Was ist zu wollen? was zu tun?

Was hilft der Augen schärfster Blitz!

Er prallt zurück an deinem Sitz.

Von Osten kamen wir heran,

Und um den Westen wars getan;

Ein lang- und breites Volksgewicht:

Der erste wußte vom letzten nicht.

Der erste fiel, der zweite stand,

Des dritten Lanze war zur Hand;

Ein jeder hundertfach gestärkt,

Erschlagne Tausend unbemerkt.

Wir drängten fort, wir stürmten fort,

Wir waren Herrn von Ort zu Ort,

Und wo ich herrisch heut befahl,

Ein andrer morgen raubt und stahl.

Wir schauten – eilig war die Schau:

Der griff die allerschönste Frau,

Der griff den Stier von festem Tritt,

Die Pferde mußten alle mit.

Ich aber liebte, zu erspähn

Das Seltenste, was man gesehn,

Und was ein andrer auch besaß,

Das war für mich gedörrtes Gras.

Den Schätzen war ich auf der Spur,

Den scharfen Blicken folgt ich nur,

In alle Taschen blickt ich ein,

Durchsichtig war mir jeder Schrein.

Und Haufen Goldes waren mein,

Am herrlichsten der Edelstein:

Nun der Smaragd allein verdient,

Daß er an deinem Herzen grünt.

Nun schwanke zwischen Ohr und Mund

Das Tropfenei aus Meeresgrund!

Rubinen werden gar verscheucht:

Das Wangenrot sie niederbleicht.

Und so den allergrößten Schatz

Versetz ich hier auf deinen Platz;

Zu deinen Füßen sei gebracht

Die Ernte mancher blutgen Schlacht.

So viele Kisten schlepp ich her,

Der Eisenkisten hab ich mehr;

Erlaube mich auf deiner Bahn,

Und Schatzgewölbe füll ich an.

Denn du bestiegest kaum den Thron,

So neigen schon, so beugen schon

Verstand und Reichtum und Gewalt

Sich vor der einzigen Gestalt.

Das alles hielt ich fest und mein:

Nun aber, lose, wird es dein!

Ich glaubt es würdig, hoch und bar:

Nun seh ich, daß es nichtig war!

Verschwunden ist, was ich besaß,

Ein abgemähtes welkes Gras.

O gib mit einen heitern Blick

Ihm seinen ganzen Wert zurück!

FAUST. Entferne schnell die kühn erworbne Last,

Zwar nicht getadelt, aber unbelohnt!

Schon ist Ihr alles eigen, was die Burg

Im Schoß verbirgt: Besondres Ihr zu bieten,

Ist unnütz. Geh und häufe Schatz auf Schatz

Geordnet an! Der ungesehnen Pracht

Erhabnes Bild stell auf! Laß die Gewölbe

Wie frische Himmel blinken! Paradiese

Von lebelosem Leben richte zu!

Voreilend ihren Tritten, laß beblümt

An Teppich Teppiche sich wälzen:

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