Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 60)

ihrem Tritt

Begegne sanfter Boden, ihrem Blick,

Nur Göttliche nicht blendend, höchster Glanz!

LYNKEUS. Schwach ist, was der Herr befiehlt;

Tuts der Diener, es ist gespielt:

Herrscht duch über Gut und Blut

Dieser Schönheit Übermut.

Schon das ganze Heer ist zahm,

Alle Schwerter stumpf und lahm,

Vor der herrlichen Gestalt

Selbst die Sonne matt und kalt,

Vor dem Reichtum des Gesichts

Alles leer und alles nichts. Ab.

HELENA zu Faust. Ich wünsche dich zu sprechen, doch herauf

An meine Seite komm! der leere Platz

Beruft den Herrn und sichert mir den meinen.

FAUST. Erst knieend laß die treue Widmung dir

Gefallen, hohe Frau! die Hand, die mich

An deine Seite hebt, laß mich sie küssen!

Bestärke mich als Mitregenten deines

Grenzunbewußten Reichs, gewinne dir

Verehrer, Diener, Wächter all in Einem!

HELENA. Vielfache Wunder seh ich, hör ich an.

Erstaunen trifft mich, fragen möcht ich viel.

Doch wünscht ich Unterricht, warum die Rede

Des Manns mir seltsam klang, seltsam und freundlich:

Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,

Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt,

Ein andres kommt, dem ersten liebzukosen.

FAUST. Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker,

O so gewiß entzückt auch der Gesang,

Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.

Doch ist am sichersten, wir übens gleich:

Die Wechselrede lockt es, rufts hervor.

HELENA. So sage denn: wie sprech ich auch so schön?

FAUST. Das ist gar leicht: es muß von Herzen gehn!

Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt,

Man sieht sich um und fragt –

HELENA.                                 Wer mitgenießt.

FAUST. Nun schaut der Geist nicht vorwärts, nicht zurück;

Die Gegenwart allein –

HELENA.                      Ist unser Glück.

FAUST. Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand;

Bestätigung, wer gibt sie?

HELENA.                           Meine Hand!

CHOR. Wer verdächt es unsrer Fürstin,

Gönnet sie dem Herrn der Burg

Freundliches Erzeigen?

Denn gesteht: sämtliche sind wir

Ja Gefangene, wie schon öfter

Seit dem schmählichen Untergang

Ilios und der ängstlich-

labyrinthischen Kummerfahrt.

Fraun, gewöhnt an Männerliebe,

Wählerinnen sind sie nicht,

Aber Kennerinnen!

Und wie goldlockigen Hirten

Vielleicht schwarzborstigen Faunen,

Wie es bringt die Gelegenheit,

Über die schwellenden Glieder

Vollerteilen sie gleiches Recht.

Nah und näher sitzen sie schon,

Aneinander gelehnet,

Schulter an Schulter, Knie an Knie;

Hand in Hand wiegen sie sich

Über des Throns

Aufgepolsterter Herrlichkeit.

Nicht versagt sich die Majestät

Heimlicher Freuden

Vor den Augen des Volkes

Übermütiges Offenbarsein.

HELENA. Ich fühle mich so fern und doch so nah,

Und sage nur zu gern: da bin ich! da!

FAUST. Ich atme kaum, mir zittert, stockt das Wort;

Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.

HELENA. Ich scheine mir verlebt und doch so neu,

In dich verwebt, dem Unbekannten treu.

FAUST. Durchgrüble nicht das einzigste Geschick!

Dasein ist Pflicht, und wärs ein Augenblick.

PHORKYAS heftig eintretend.

Buchstabiert in Liebesfibeln,

Tändelnd grübelt nur am Liebeln,

Müßig liebelt fort im Grübeln!

Doch dazu ist keine Zeit.

Fühlt ihr nicht ein dumpfes Wettern?

Hört nur die Trompete schmettern!

Das Verderben ist nicht weit:

Menelas mit Volkeswogen

Kommt auf euch herangezogen –

Rüstet euch zu herbem Streit!

Von der Siegerschar umwimmelt,

Wie Deiphobus verstümmelt,

Büßest du das Fraungeleit.

Bammelt erst

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