Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 9)

ihr andern! Tinke-tinke!

Jeder jedem, so fortan!

Dünkt michs doch, es sei getan.

Wie und wo ich mich vergnüge,

Mag es immerhin geschehn:

Laßt mich liegen, wo ich liege!

Denn ich mag nicht länger stehn.

CHOR. Jeder Bruder trinke! trinke!

Toastet frisch ein Tinke-tinke!

Sitzet fest auf Bank und Span!

Unterm Tisch, dem ists getan.

Der Herold kündigt verschiedene Poeten an, Naturdichter,

Hof- und Rittersänger, zärtliche sowie Enthusiasten.

Im Gedräng von Mitwerbern aller Art läßt keiner den andern zum

Vortrag kommen.

Einer schleicht mit wenigen Worten vorüber:

SATIRIKER. Wißt ihr, was mich Poeten

Erst recht erfreuen sollte?

Dürft ich singen und reden,

Was niemand hören wollte.

Die Nacht- und Grabdichter lassen sich entschuldigen, weil sie

soeben im interessantesten Gespräch mit einem frisch

erstandenen Vampyren begriffen seien, woraus eine neue Dichtart

sich vielleicht entwickeln könnte; der Herold muß es gelten lassen

und ruft indessen die griechische Mythologie hervor,

die selbst in moderner Maske weder Charakter noch Gefälliges verliert.

Die Grazien.

AGLAIA. Anmut bringen wir ins Leben;

Leget Anmut in das Geben!

HEGEMONE. Leget Anmut ins Empfangen!

Lieblich ists, den Wunsch erlangen.

EUPHROSYNE. Und in stiller Tage Schranken

Höchst anmutig sei das Danken!

Die Parzen.

ATROPOS. Mich, die Älteste, zum Spinnen

Hat man diesmal eingeladen;

Viel zu denken, viel zu sinnen

Gibts beim zarten Lebensfaden.

Daß er euch gelenk und weich sei,

Wußt ich feinsten Flachs zu sichten;

Daß er glatt und schlank und gleich sei,

Wird der kluge Finger schlichten.

Wolltet ihr bei Lust und Tänzen

Allzu üppig euch erweisen,

Denkt an dieses Fadens Grenzen!

Hütet euch! er möchte reißen.

KLOTHO. Wißt, in diesen letzten Tagen

Ward die Schere mir vertraut;

Denn man war von dem Betragen

Unsrer Alten nicht erbaut.

Zerrt unnützeste Gespinste

Lange sie an Licht und Luft,

Hoffnung herrlichster Gewinste

Schleppt sie schneidend zu der Gruft.

Doch auch ich, im Jugendwalten,

Irrte mich schon hundertmal;

Heute mich im Zaum zu halten,

Schere steckt im Futteral.

Und so bin ich gern gebunden,

Blicke freundlich diesem Ort:

Ihr in diesen freien Stunden

Schwärmt nur immer fort und fort!

LACHESIS. Mir, die ich allein verständig,

Blieb das Ordnen zugeteilt;

Meine Weife, stets lebendig,

Hat noch nie sich übereilt.

Fäden kommen, Fäden weifen,

Jeden lenk ich seine Bahn,

Keinen laß ich überschweifen:

Füg er sich im Kreis heran!

Könnt ich einmal mich vergessen,

Wär es um die Welt mir bang;

Stunden zählen, Jahre messen,

Und der Weber nimmt den Strang.

HEROLD. Die jetzo kommen, werdet ihr nicht kennen,

Wärt ihr noch so gelehrt in alten Schriften;

Sie anzusehn, die so viel Übel stiften,

Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen.

Die Furien sind es! niemand wird uns glauben:

Hübsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von Jahren!

Laßt euch mit ihnen ein: ihr sollt erfahren,

Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.

Zwar sind sie tückisch; doch am heutigen Tage,

Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel,

Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel,

Bekennen sich als Stadt- und Landesplage.

Die Furien.

ALEKTO. Was hilft es euch? ihr werdet uns vertrauen!

Denn wir sind hübsch und jung und Schmeichelkätzchen;

Seiten