Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 91)

ich euch nur einmal lächeln sehn!

Das wäre mir ein ewiges Entzücken!

Ich meine so: wie wenn Verliebte blicken!

Ein kleiner Zug am Mund, so ists getan!

Dich, langer Bursche, dich mag ich am liebsten leiden,

Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden,

So sieh mich doch ein wenig lüstern an!

Auch könntet ihr anständig-nackter gehen:

Das lange Faltenhemd ist übersittlich!

Sie wenden sich – Von hinten anzusehen! –

Die Racker sind doch gar zu appetitlich!

CHOR DER ENGEL. Wendet zur Klarheit

Euch, liebende Flammen!

Die sich verdammen,

Heile die Wahrheit,

Daß sie vom Bösen

Froh sich erlösen,

Um in dem Allverein

Selig zu sein!

MEPHISTOPHELES sich fassend.

Wie wird mir! – Hiobsartig, Beul an Beule

Der ganze Kerl, dems vor sich selber graut,

Und triumphiert zugleich, wenn er sich ganz durchschaut,

Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut:

Gerettet sind die edlen Teufelsteile,

Der Liebespuk, er wirft sich auf die Haut!

Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen.

Und wie es sich gehört, fluch ich euch allzusammen!

CHOR DER ENGEL. Heilige Gluten,

Wen sie umschweben,

Fühlt sich im Leben

Selig mit Guten.

Alle vereinigt

Hebt euch und preist!

Luft ist gereinigt:

Atme der Geist!

Sie erheben sich, Faustens Unsterbliches entführend.

MEPHISTOPHELES sich umsehend.

Doch wie? – Wo sind sie hingezogen?

Unmündiges Volk, du hast mich überrascht!

Sind mit der Beute himmelwärts entflogen;

Drum haben sie an dieser Gruft genascht!

Mir ist ein großer, einziger Schatz entwendet:

Die hohe Seele, die sich mir verpfändet,

Die haben sie mir pfiffig weggepascht.

Bei wem soll ich mich nun beklagen?

Wer schafft mir mein erworbenes Recht?

Du bist getäuscht in deinen alten Tagen,

Du hasts verdient, es geht dir grimmig schlecht!

Ich habe schimpflich mißgehandelt,

Ein großer Aufwand, schmählich! ist vertan;

Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt

Den ausgepichten Teufel an.

Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding

Der Klugerfahrne sich beschäftigt,

So ist fürwahr die Torheit nicht gering,

Die seiner sich am Schluß bemächtigt.

 

Bergschluchten

 

Wald, Fels, Einöde.

Heilige Anachoreten gebirgauf verteilt, gelagert zwischen Klüften.

CHOR UND ECHO.

Waldung, sie schwankt heran,

Felsen, sie lasten dran,

Wurzeln, sie klammern an,

Stamm dicht am Stamm hinan.

Woge nach Woge spritzt,

Höhle, die tiefste, schützt.

Löwen, sie schleichen stumm-

Freundlich um uns herum,

Ehren geweihten Ort,

Heiligen Liebeshort.

PATER ECSTATICUS auf- und abschweifend.

Ewiger Wonnebrand,

Glühendes Liebeband,

Siedender Schmerz der Brust,

Schäumende Gotteslust!

Pfeile, durchdringet mich,

Lanzen, bezwinget mich,

Keulen, zerschmettert mich,

Blitze, durchwettert mich!

Daß ja das Nichtige

Alles verflüchtige,

Glänze der Dauerstern,

Ewiger Liebe Kern!

PATER PROFUNDUS, tiefe Region.

Wie Felsenabgrund mir zu Füßen

Auf tieferm Abgrund lastend ruht,

Wie tausend Bäche strahlend fließen

Zum grausen Sturz des Schaums der Flut,

Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe,

Der Stamm sich in die Lüfte trägt:

So ist es die allmächtige Liebe,

Die alles bildet, alles hegt.

Ist um mich her ein wildes Brausen,

Als wogte Wald und Felsengrund,

Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,

Die Wasserfülle sich zum Schlund,

Berufen, gleich das Tal zu wässern;

Der Blitz, der flammend niederschlug,

Die Atmosphäre zu verbessern,

Die Gift und Dunst im Busen trug:

Sind

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