Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 88)

                          Wie es auch möglich sei,

Arbeiter schaffe Meng auf Menge!

Ermuntere durch Genuß und Strenge!

Bezahle, locke, presse bei!

Mit jedem Tage will ich Nachricht haben,

Wie sich verlängt der unternommene Graben.

MEPHISTOPHELES halblaut.

Man spricht, wie man mir Nachricht gab,

Von keinem Graben, doch vom Grab.

FAUST. Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,

Verpestet alles schon Errungene;

Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,

Das letzte wär das Höchsterrungene.

Eröffn ich Räume vielen Millionen.

Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.

Grün das Gefilde, fruchtbar! Mensch und Herde

Sogleich behaglich auf der neusten Erde,

Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,

Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft!

Im Innern hier ein paradiesisch Land:

Da rase draußen Flut bis auf zum Rand!

Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschließen,

Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.

Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,

Das ist der Weisheit letzter Schluß:

Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,

Der täglich sie erobern muß!

Und so verbringt, umrungen von Gefahr,

Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.

Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,

Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn!

Zum Augenblicke dürft ich sagen:

»Verweile doch, du bist so schön!

Es kann die Spur von meinen Erdetagen

Nicht in Äonen untergehn.« –

Im Vorgefühl von solchem hohen Glück

Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.

Faust sinkt zurück, die Lemuren fassen ihn auf und legen ihn

auf den Boden.

MEPHISTOPHELES.

Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,

So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;

Den letzten, schlechten, leeren Augenblick,

Der Arme wünscht ihn festzuhalten.

Der mir so kräftig widerstand,

Die Zeit wird Herr: der Greis hier liegt im Sand!

Die Uhr steht still –

CHOR.                    Steht still! sie schweigt wie Mitternacht.

Der Zeiger fällt –

MEPHISTOPHELES. Er fällt! es ist vollbracht.

CHOR. Es ist vorbei!

MEPHISTOPHELES. Vorbei! ein dummes Wort. Warum vorbei?

Vorbei und reines Nicht: vollkommnes Einerlei!

Was soll uns denn das ewge Schaffen?

Geschaffenes zu Nichts hinwegzuraffen?

»Da ists vorbei!« Was ist daran zu lesen?

Es ist so gut, als wär es nicht gewesen,

Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre!

Ich liebte mir dafür das Ewigleere.

 

Grablegung

 

LEMUR, solo. Wer hat das Haus so schlecht gebaut

Mit Schaufeln und mit Spaten?

LEMUREN, Chor. Dir, dumpfer Gast im hänfnen Gewand,

Ists viel zu gut geraten.

LEMUR, solo. Wer hat den Saal so schlecht versorgt?

Wo blieben Tisch und Stühle?

LEMUREN, Chor. Es war auf kurze Zeit geborgt;

Der Gläubiger sind so viele.

MEPHISTOPHELES.

Der Körper liegt, und will der Geist entfliehn,

Ich zeig ihm rasch den blutgeschriebnen Titel;

Doch leider hat man jetzt so viele Mittel,

Dem Teufel Seelen zu entziehn.

Auf altem Wege stößt man an,

Auf neuem sind wir nicht empfohlen;

Sonst hätt ich es allein getan,

Jetzt muß ich Helfershelfer holen.

Uns gehts in allen Dingen schlecht:

Herkömmliche Gewohnheit, altes Recht,

Man kann auf gar nichts mehr vertrauen!

Sonst mit dem letzten Atem fuhr sie aus,

Ich paßt ihr auf, und, wie die schnellste Maus,

Schnapps! hielt ich sie in festverschlossnen Klauen.

Nun zaudert sie und will den düstern Ort,

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