Ungekürztes Werk "Torquato Tasso" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 42)

machst

Mich ganz dir eigen. Nichts gehöret mehr

Von meinem ganzen Ich mir künftig an.

Es trübt mein Auge sich in Glück und Licht,

Es schwankt mein Sinn. Mich hält der Fuß nicht mehr.

Unwiderstehlich ziehst du mich zu dir,

Und unaufhaltsam dringt mein Herz dir zu.

Du hast mich ganz auf ewig dir gewonnen,

So nimm denn auch mein ganzes Wesen hin!

Er fällt ihr in die Arme und drückt sie fest an sich.

Prinzessin ihn von sich stoßend und hinwegeilend:

Hinweg!

Leonore die sich schon eine Weile im Grunde sehen lassen, herbeieilend: Was ist geschehen? Tasso! Tasso!

Sie geht der Prinzessin nach.

Tasso im Begriff, ihnen zu folgen:

O Gott!

Alfons der sich schon eine Zeitlang mit Antonio genähert: Er kommt von Sinnen, halt ihn fest.

Ab.

Fünfter Auftritt

Tasso. Antonio.

Antonio:

O stünde jetzt, so wie du immer glaubst,

Daß du von Feinden rings umgeben bist,

Ein Feind bei dir, wie würd er triumphieren!

Unglücklicher, noch kaum erhol ich mich!

Wenn ganz was Unerwartetes begegnet,

Wenn unser Blick was Ungeheures sieht,

Steht unser Geist auf eine Weile still,

Wir haben nichts, womit wir das vergleichen.

Tasso nach einer langen Pause:

Vollende nur dein Amt, ich seh, du bist’s!

Ja, du verdienst das fürstliche Vertraun;

Vollende nur dein Amt und martre mich,

Da mir der Stab gebrochen ist, noch langsam

Zu Tode! Ziehe! Zieh am Pfeile nur,

Daß ich den Widerhaken grimmig fühle,

Der mich zerfleischt!

Du bist ein teures Werkzeug des Tyrannen;

Sei Kerkermeister, sei der Marterknecht!

Wie wohl, wie eigen steht dir beides an!

Gegen die Szene:

Ja, gehe nur, Tyrann! Du konntest dich

Nicht bis zuletzt verstellen, triumphiere!

Du hast den Sklaven wohl gekettet, hast

Ihn wohl gespart zu ausgedachten Qualen:

Geh nur, ich hasse dich, ich fühle ganz

Den Abscheu, den die Übermacht erregt,

Die frevelhaft und ungerecht ergreift.

Nach einer Pause:

So seh ich mich am Ende denn verbannt,

Verstoßen und verbannt als Bettler hier!

So hat man mich bekränzt, um mich geschmückt

Als Opfertier vor den Altar zu führen!

So lockte man mir noch am letzten Tage

Mein einzig Eigentum, mir mein Gedicht

Mit glatten Worten ab und hielt es fest!

Mein einzig Gut ist nun in euren Händen,

Das mich an jedem Ort empfohlen hätte,

Das mir noch blieb, vom Hunger mich zu retten!

Jetzt seh ich wohl, warum ich feiern soll.

Es ist Verschwörung, und du bist das Haupt.

Damit mein Lied nur nicht vollkommner werde,

Daß nur mein Name sich nicht mehr verbreite,

Daß meine Neider tausend Schwächen finden,

Daß man am Ende meiner gar vergesse,

Drum soll ich mich zum Müßiggang gewöhnen,

Drum soll ich mich und meine Sinne schonen.

O werte Freundschaft, teure Sorglichkeit!

Abscheulich dacht ich die Verschwörung mir,

Die unsichtbar und rastlos mich umspann,

Allein abscheulicher ist es geworden.

 

Und du, Sirene! die du mich so zart,

So himmlisch angelockt, ich sehe nun

Dich auf einmal! O Gott, warum so spät!

 

Allein wir selbst betrügen uns so gern

Und ehren die Verworfnen, die uns ehren.

Die Menschen kennen sich einander nicht;

Nur die Galeerensklaven kennen sich,

Die eng an eine Bank geschmiedet keuchen;

Wo keiner was zu fordern hat und keiner

Was zu verlieren hat, die kennen sich;

Wo jeder sich für einen Schelmen gibt

Und seinesgleichen auch für Schelmen nimmt.

Doch wir verkennen nur die andern höflich,

Damit sie wieder uns verkennen sollen.

 

Wie lang verdeckte mir dein heilig Bild

Die Buhlerin, die kleine Künste treibt.

Die Maske fällt; Armiden seh ich nun

Entblößt von allen Reizen – Ja, du

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