Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 379)

und Junge zu hecken; wollte jetzt von der Insul Fruchtbarkeit als die ich selbst vor Augen sehe, nichts melden; betreffend die Hilf der Menschen, deren er bei seinem Abscheid beraubt sein müßte, bekümmere ihn solches im geringsten nichts, wann er nur Gott zum Freunde hab; solang er bei den Menschen in der Welt gewesen, hätte er jeweils mehr Verdruß von Feinden als Vergnügungen von Freunden empfangen, und machten einem die Freund selbst oft mehr Ungelegenheit als einer Freundschaft von ihnen zu hoffen; hätte er hier keine Freund, die ihn liebten und bedienten, so hätte er doch auch keine Feinde die ihn haßten, welche beide Art der Menschen einen jeden zum Sündigen bringen könnten, deren er aber beider überhoben, und also Gott desto geruhiger dienen könnte; zwar hätte er anfänglich viel Versuchungen beides, von ihm selbsten und dem Erbfeind aller Menschen erdulten und überstehen müssen, er hätte aber allwegen durch göttliche Gnad in den Wunden seines Erlösers (dahin noch sein einiger Zuflucht gestellt seie) Hilf, Trost und Errettung gefunden und empfangen.

Mit solchem und gleichmäßigen mehrerem Gespräch brachte ich mein Zeit mit dem Teutschen zu; indessen wurde es mit unseren Kranken von Stund zu Stund besser, so daß wir den vierten Tag auch kein einzigen mehr hatten, der sich klagt; wir besserten im Schiff was zu bessern war, nahmen frisch Wasser und anders von der Insul ein, und fuhren, nachdem wir sechs Tag sich auf der Insul genugsam ergetzt und erfrischt, den siebenden Tag aber gegen der Insul S. Helenae, allwo wir teils Schiff von unserer Armada fanden, die auch ihren Kranken pflegten und der überigen Schiff erwarteten; von dannen wir nachgehends glücklich allhier in Holland ankommen.

Hiebei hat der Herr auch ein paar von den leuchtenden Käfern zu empfangen, vermittelst deren ich mit oftgemeldtem Teutschen in obgesagte Höhle kommen, welches wohl ein grausame Wunderspelunke ist; sie war ziemlich proviantiert mit Eiern, welche sich wie mir der Teutsche sagt, in derselbigen übers Jahr halten, weil das Ort mehr kühl als kalt ist; in dem hindersten Winkel der Höhlen hatte er viel hundert dieser Käfer, davon es so hell war, als in einem Zimmer darin überflüssig Liechter brennen; er berichtet mich, daß sie zu einer gewissen Zeit des Jahrs auf der Insul von einer sonderen Art Holz wachsen, würden aber innerhalb vier Wochen von einer Gattung fremder Vögel, die zu derselben Zeit ankommen und Junge hecken, alle miteinander aufgefressen; alsdann müsse er die Notdurft finden, sich deren das Jahr hindurch anstatt der Liechter sonderlich in besagter Höhle zu bedienen; in der Höhle behalten sie ihre Kraft übers Jahr, in Luft aber trücknet die leuchtende Feuchtigkeit aus, daß sie den geringsten Schein nit mehr von sich geben, wann sie nur acht Tag tot gewesen; und gleichwie allein durch diese geringe Käfern der Teutsche sich der Höhlen erkündigt und ihm selbige zu seinem sichern Aufenthalt zunutz gemacht, also hätten wir ihm auch mit keinem menschlichen Gewalt, wanngleich wir 100 000 Mann stark gewest wären, ohne seinen Willen nicht herausbringen können; wir schenkten ihm bei unserer Abreis einen englischen Brillen, damit er Feur von der Sonnen anzünden könnte, welches auch das einzige war so er von uns bittlich begehrt; und ob er zwar sonst nichts von uns annemmen wollte, so hinderließen wir ihm doch eine Axt, ein Schaufel, ein Hau, zwei Stück baumwollen Zeug von Bengala, ein halb Dutzend Messer, eine Schär, zween küpferne Häfen und ein Paar Kaninchen, zu probiern, ob sie sich auf der Insul vermehren wollten; warmit wir dann einen sehr freundlichen Abscheid voneinander genommen; und halte ich diese Insul vor den allergesündesten Ort in der Welt, weil unser Kranke innerhalb fünf Tagen alle miteinander wiederum zu Kräften kamen, und der Teutsche selbst die ganze Zeit so er daselbst gewesen von Krankheit nichts gewahr worden.

ENDE

BESCHLUSS

Hochgeehrter, großgünstiger lieber Leser etc. Dieser Simplicissimus ist ein Werk vom Samuel Greifnson vom Hirschfeld, maßen ich nicht allein dieses nach seinem Absterben unter seinen hinderlassenen Schriften gefunden, sonder er bezeugt sich auch selbst in diesem Buch auf den »Keuschen Joseph«, den er gemacht, und in seinem »Satyrischen Pilger« auf diesen seinen Simplicissimum, welchen er in seiner Jugend zum Teil geschrieben, als er noch ein Musketierer gewesen; aus was Ursach er aber seinen Namen durch Versetzung der Buchstaben verändert, und German Schleifheim von Sulsfort an dessen Statt auf den Titul gesetzt, ist mir unwissend; sonsten hat er noch mehr feine satyrische Gedichte hinderlassen, welche, wann dies Werk beliebt wird, wohl auch durch den Druck an Tag gegeben werden köndten; so ich dem Leser zur Nachricht nicht verbergen wollen; diesen Schluß habe ich nicht hinderhalten mögen, weil er die erste fünf Teil bereits bei seinen Lebzeiten in Druck gegeben. Der Leser leb wohl. Dat. Rheinnec, den 22. Aprilis Anno 1668.

H. I. C. V. G.

P. zu Cernhein.

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