Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 375)

ihm vergriffen, weder mit Worten noch Werken nicht strafen sollten; zweitens, daß hingegen auch vergessen, tot und ab sein sollte, daß er, der Teutsche, sich vor uns verborgen, und so lange nicht in unser Bitten und Begehren verwilligen wollen; drittens, daß wir ihn als eine freie Person die niemand unterworfen, wider seinen Willen nicht müßigen wollten, mit uns wiederum in Europam zu schiffen; viertens, daß wir keinen aus den Unserigen auf der Insul hinderlassen wollten; und fünftens, daß wir niemand weder schrift- noch mündlich, viel weniger durch eine Mappa kund, oder offenbar machen wollten, wo und unter welchem Gradu diese Insul gelegen. Nachdem wir nun solches zu halten beteuert, ließe er sich gleich mit vielen Liechtern sehen, welche aus dem Finstern wie die helle Stern hervorglänzten; wir sahen wohl, daß es kein Feur war, weil ihm Haar und Bart vollhienge, welches auf solchen Fall verbrennt wäre; hielten es derowegen vor eitel Karfunkelstein, die wie man sagt, im Finstern leuchten sollen; da stiege er einen Felsen auf den andern ab, und mußte auch an etlichen Orten durchs Wasser waten, also daß er durch seltsame Krümme und Umweg (welche uns unmüglich zu finden gewest wären, wann wir gleich wie er mit solchen Liechtern versehen gewest wären) sich gegen uns nähern mußte; es sahe alles mehr einem Traum als einer wahren Geschichte, der Teutsche selbst aber mehr einem Gespenst als einem wahrhaftigen Menschen gleich; also daß sich etliche einbildeten, wir wären auch gleich unseren Leuten auf der Insul mit einer aberwitzigen Wahnsucht behaftet.

Als er nun nach einer halben Stund (dann so lange Zeit mußte er mit Auf- und Absteigen zubringen, ehe er zu uns kommen konnte) bei uns anlangte, gab er jedem nach teutschen Gebrauch die Hand, hieße uns freundlich willkommen, und batt, wir wollten ihm verzeihen, daß er aus Mißtrauen so lang verzogen hätte, uns wieder an Tages-Liecht zu bringen; reichte darauf jedem eins von seinen Liechtern, welches aber keine Edelgestein, sondern schwarze Käfer waren in der Größe als die Schröter in Teutschland; diese hatten unten am Hals einen weißen Flecken so groß als ein Pfenning, der leuchtete in der Finstere viel heller als ein Kerze, maßen wir durch diese wunderbarliche Liechter mit unserm Teutschen wieder glücklich aus der grausamen Höhlen kamen.

Dieser war ein langer starker wohlproportionierter Mann mit geraden Gliedern, lebhafter schöner Farb, korallenroten Lefzen, lieblichen schwarzen Augen, sehr heller Stimm, und einem langen schwarzen Haar und Bart hie und da mit sehr wenigen grauen Haaren besprengt, die Haupthaar hiengen ihm bis über die Hüfte, und der Bart bis über den Nabel hinunter; um die Scham hatte er einen Schurz von Balmblättern und auf dem Haupt einen breiten Hut aus Binsen geflochten, und mit einem Gummi überzogen, der ihn wie ein Parasol, beides vor Regen und Sonnenschein beschützen konnte; und im übrigen sahe er beinahe aus, wie die Papisten ihren Sanctum Onoffrium abzumalen pflegen; er wollte in der Höhlen mit uns nit reden, aber sobald er herauskam, sagte er uns die Ursach, nämlich daß sie diese Art an sich: wann man

Seiten