Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 374)

wordurch sie wieder zurechtgebracht werden möchten; da bedachten wir ererst mit höchster Reu, was vor böse Gedanken und falsches Urtel wir von ihm gefaßt, und dessentwegen zu billicher Straf in diese gefährlich finstere Höhle geraten wären, aus welcher ohne Liecht zu kommen unmüglich zu sein schiene, weil wir uns viel zu weit hineinvertieft hatten; derowegen erhub unser Siechentröster seine Stimm wiederum ganz erbärmlich und sagte: »Ach redlicher Landsmann! diejenige so Euch gester mit ihren ungeschliffenen Reden beleidigt haben, seind grobe, und zwar die ungeschliffneste Leut von unserem Schiffe gewesen; hingegen stehet jetzt hier der Kapitän samt den vornehmsten Offiziern Euch wiederum um Verzeihung zu bitten, Euch freundlich zu begrüßen und zu traktiern, auch mitzuteilen, was etwan in unserem Vermögen befindlich und Euch dienlich sein möchte; ja wann Ihr selber wöllt, Euch wiederum aus dieser vertrüßlichen Einsamkeit mit uns in Europam zu nehmen«; aber es wurde uns zur Antwort, er bedankte sich zwar des guten Anerbietens, seie aber ganz nicht bedacht, etwas von unseren Offerten anzunehmen; dann gleichwie er vermittelst göttlicher Gnaden nunmehr über fünfzehen Jahr lang mit höchster Vergnügung aller menschlichen Hilf und Beiwohnung an diesem Ort entbehren können, also begehre er auch noch nicht wieder in Europam zu kehren, um so törichterweis seinen jetzigen vergnügsamen Stand durch eine so weite und gefährliche Reise in ein unruhiges immerwährendes Ellend zu verwechslen.

Das 26. Kapitel

Nachdem Simplicius mit seinen Belägerern akkordiert, kommen seine Gäst wieder zu ihrer Vernunft.

Nach Vernehmung dieser Meinung wäre uns der Teutsche zwar wohlgesessen gewesen, wann wir nur wieder aus seiner Höhlen hätten kommen können; aber solches war uns unmüglich; dann gleichwie wirs ohne Liecht nicht vermochten, also dorften wir auch auf keine Hilf von den Unserigen hoffen, welche auf der Insul in ihrer Dollerei noch herumraseten. Derowegen stunden wir in großen Ängsten, und suchten die allerbeste Wort herfür, den Teutschen zu persuadiern, daß er uns aus der Höhlen helfen sollte, welche er aber alle nichts achtete, bis wir endlich (nachdem wir ihm unseren und der Unserigen Zustand gar beweglich zu Gemüt geführt, er auch selbst ermaße, daß kein Teil dem andern von uns ohne seinen Beistand nicht helfen würde können) vor Gott dem Allmächtigen protestierten, daß er uns aus Hartnäckigkeit sterben und verderben ließe, und daß er dessentwegen am Jüngsten Gericht würde Rechenschaft geben müssen; mit dem Anhang, wollte er uns nicht lebendig aus der Höhlen helfen, so müßte er uns doch endlich, wann wir darin verdorben und gestorben wären, tot herausschleppen; wie er dann auch besorglich auf der Insul Tote genug finden würde, die ewig Rach über ihn zu schreien Ursach hätten, um willen er ihnen nicht zu Hilfe kommen, ehe sie einander vielleicht, wie zu förchten, in ihrem unsinnigen Zustand selbsten entleibten; durch dies Zusprechen erlangten wir endlich, daß er versprach, uns aus der Höhlen zu führen, jedoch mußten wir ihm zuvor folgende fünf Punkten, wahr, stett, fest und unzerbrüchlichen zu halten, bei christlicher Treu und altteutschem Biedermannsglauben versprechen.

Erstlich daß wir diejenige, so wir anfänglich auf die Insul gesendet, wegen dessen, damit sie sich gegen

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