Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 373)

schweren, und wußten wir nicht, was wir zu diesen unsern Ängsten tun oder lassen sollten.

Da wir nun so in der finsteren Höhlen stunden, und wußten nicht wo aus noch ein, maßen jeder nichts anders tät, als daß er lamentierte, hörten wir noch weit von uns den Teutschen uns folgendergestalt aus der finstern Höhle zuschreien: »Ihr Herrn«, sagte er, »was bemühet ihr euch umsonst zu mir oder sonst hereinzukommen? sehet ihr dann nicht, daß es ein pure Unmüglichkeit ist? wann ihr euch mit denen Erfrischungen, die euch Gott auf dem Land bescheret, nicht vergnügen lassen, sonder an mir, einem nackenden armen Mann, der nichts als das Leben hat, reich werden wollet, so versichere ich euch, daß ihr leer Stroh dreschet; darum bitte ich euch um Christi unsers Erlösers willen, laßt ab von eurem Beginnen, genießet gleichwohl die Früchte des Lands zu eurer Erfrischung, und laßt mich in dieser meiner Sicherheit, dahin mich eure beinahe tyrannische und sonst bedrohenliche Reden (die ich gester in meiner Hütten vernehmen müssen) zu fliehen verursacht, mit Frieden, ehe ihr (da der liebe Gott vor sein wolle) darüber in Unglück kommt.« Da war nun guter Rat teuer; aber unser Siechentröster schriee ihm hinwieder zu und sagte: »Hat Euch gester jemand molestiert, so ists uns von Grund unsers Herzens leid, es ist von grobem Schiffvolk geschehen, das von keiner Diskretion nichts weiß; wir kommen nicht Euch zu plündern noch Beut zu machen, sonder nur um Rat zu bitten, wie den Unserigen wieder zu helfen sei, die mehrenteils auf dieser Insul ihre Sinne verloren; ohne daß wir auch gern mit Euch als einen Christen und Landsmann reden, Euch, dem letzten Gebott unsers Erlösers gemäß, alle Lieb, Ehr, Treu und Freundschaft erweisen, und wanns Euch beliebt, wieder mit uns in Euer Vatterland heimführen möchten.«

Hierauf kriegten wir zur Antwort, er hätte gester zwar wohl vernommen, wie wir gegen ihm gesinnet wären; doch wollt er dem Gesetz unsers Heilands zufolg Böses mit Gutem bezahlen, und uns nicht verhalten, wie den Unserigen wieder von ihrer unsinnigen Wahnwitz zu helfen seie; wir sollten, sagte er, diejenigen so mit solchem Zustand behaftet wären, nur von den Pflaumen darin sie ihren Verstand verfressen, die Kernen essen lassen, so würde es sich mit allen in einem Augenblick wieder bessern, welches wir ohne seinen Rat an den Pfersigen hätten abnehmen sollen, als an welchen die hitzige Kern, wann man sie mitgenieße, die schädliche Kälte des Pfersigs selbst hindertreibe; dafern wir auch vielleicht die Bäum so solche Pflaumen trugen nicht kennen würden, so sollten wir nur Achtung geben, an welchem geschrieben stunde:

Verwund dich über meine Natur,

Ich mach es wie Circe die zaubrisch Hur.

Durch diese Antwort und des Teutschen erste Red konnten wir uns wohl versichert halten, daß er von den Unserigen, so wir erstmals auf die Insul gesandt erschreckt, und gemüßigt worden, in diese Höhle sich zu retirieren; item daß er ein Kerl von rechtschaffnen teutschen Gemüt sein müßte, weil er uns, ohnangesehen er von den Unserigen molestiert worden, nichtsdestoweniger anzeigte, durch was die Unserige ihre Sinne verloren und

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