Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 371)

nannten; doch waren uns alle solche kurze und sinnreiche Sprüch lauter räterisch und dunkele Oracula, aus denen wir aber gleichwohl abnehmen konnten, daß ihr Autor kein Narr, sonder ein sinnreicher Poet, insonderheit aber ein gottseliger Christ sein müßte, der viel mit Betrachtung himmlischer Ding umgehe; folgender Reim, den wir auch in einem Baum eingeschnitten fanden, bedunkte unseren Siechentröster, der mit mir herumgieng, und viel aufschriebe was er fande, der vornehmste zu sein, vielleicht weil er ihm was Neues war; er lautet also:

Ach allerhöchstes Gut! du wohnest so im finsternLiecht!

Daß man vor Klarheit groß, den großen Glanz kann sehen nicht.

Dann er, der Siechentröster, welches ein überaus gelehrter Mann war, sagte: »So weit kommt ein Mensch auf dieser Welt und nicht höher, es wolle ihm dann Gott das höchste Gut aus Gnaden mehr offenbaren.« Indessen durchstriche meine gesunde Schiffbursch die ganze Insul, allerhand Erfrischungen vor sich und die Kranke zusammenzubringen, und bemeldten Teutschen zu suchen, den alle Prinzipalen des Schiffs zu sehen und mit ihme zu konferieren ein groß Verlangen trugen; sie trafen ihn dennoch nicht an, aber wohl ein ungeheure Höhle voller Wasser im Steinfelsen, darin sie schätzten daß er sein müßte, weil ein ziemlicher enger Fußpfad hineingienge; in dieselbe konnte man aber wegen des darinstehenden Wassers und großer Finsternus nicht kommen; und wann man gleich Fackeln und Pechring anzündete, sich damit zu behelfen und die Höhle zu visitieren, so löschte jedoch alles aus, ehe sie ein halben Steinwurf weit hineinkamen, mit welcher Arbeit sie viel Zeit umsonst hinbrachten.

Das 25. Kapitel

Die Holländer empfanden ein possierliche Veränderung, als sich Simplicius in seiner Festung enthielte.

Als mir nun unsere Leut von dieser ihrer vergeblicher Arbeit Relation täten, und ich selber hingehen wollte, den Ort zu besichtigen, und zu sehen, was etwan zu tun sein möchte, damit wir den besagten Teutschen zur Hand bringen könnten, erregte sich nicht allein ein grausames Erdbidem, daß meine Leut vermeinten die ganze Insul würde all Augenblick untergehen, sonder ich wurde auch eiligst zum Schiffvolk berufen, welche sich mehrenteils, soviel deren auf dem Land waren, in einem fast wunderlichen und sehr sorgsamen Zustand befanden; dann da stund einer mit bloßem Degen vor einem Baum, fochte mit demselbigen und gab vor, er hätte den allergrößten Riesen zu bestreiten; an einem andern Ort sahe einer mit fröhlichem Angesicht gen Himmel, und zeigte den andern vor eine gründliche Wahrheit an, er sehe Gott und das ganze himmlische Heer in der himmlischen Freud beisammen; hingegen sahe ein anderer auf den Erdboden, mit Forcht und Zittern, vorgebende, er sehe in vor sich habender schröcklichen Gruben den leidigen Teufel samt seinem Anhang, die wie in einem Abgrund herumwimmelten; ein anderer hatte ein Prügel und schluge um sich, daß ihm niemand nähern dorfte, und schriee doch, man sollte ihm wider die viele Wölf helfen, die ihn zerreißen wollten; hie saße einer auf einem Wasserfaß (als welche wir zuzurichten und zu füllen an Land gebracht hatten) gab demselben die Sporen und wollte es wie ein Pferd tummlen; dort fischte einer auf trucknem Land mit dem Angel,

Seiten