Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 6)

zum Angebinde bescherte, liebte sie ihren Gatten nicht minder, indem sie ihrem Söhnlein dennoch alle Pflichten einer zärtlichen Mutter erzeigte.

Drei Jahre vergingen, und der Graf von Zollern sah seinen Sohn nur alle Sonntage nach Tische, wo er ihm von der Amme dargereicht wurde. Er blickte ihn dann unverwandt an, brummte dann etwas in den Bart und gab ihn der Amme zurück. Als jedoch der Kleine »Vater« sagen konnte, schenkte der Graf der Amme einen Gulden – dem Kind machte er kein fröhlicheres Gesicht.

An seinem dritten Geburtstage aber ließ der Graf seinem Sohn die ersten Höslein anziehen und kleidete ihn prächtig in Samt und Seide; dann befahl er, seinen Rappen und ein anderes schönes Roß vorzuführen, nahm den Kleinen auf den Arm und fing an, mit klirrenden Sporen die Wendeltreppe hinabzusteigen.

Frau Hedwig erstaunte, als sie dies sah. Sie war sonst gewohnt, nicht zu fragen, wo aus und wann heim, wenn er ausritt, aber diesmal öffnete die Sorge um ihr Kind ihre Lippen. »Wollt Ihr ausreiten, Herr Graf?« sprach sie.

Er gab keine Antwort.

»Wozu denn den Kleinen?« fragte sie weiter. »Kuno wird mit mir spazierengehen.«

»Weiß schon«, entgegnete das Böse Wetter von Zollern und ging weiter; und als er im Hof stand, nahm er den Knaben bei einem Füßlein, hob ihn schnell in den Sattel, band ihn mit einem Tuch fest, schwang sich selbst auf den Rappen und trabte zum Burgtor hinaus, indem er den Zügel vom Rosse seines Söhnleins in die Hand nahm.

Dem Kleinen schien es anfangs großes Vergnügen zu gewähren, mit dem Vater den Berg hinabzureiten. Er klopfte in die Hände, er lachte und schüttelte sein Rößlein an den Mähnen, damit es schneller laufen sollte, und der Graf hatte seine Freude daran, rief auch einige Male: »Kannst ein wackerer Bursche werden!«

Als sie aber in der Ebene waren und der Graf statt Schritt Trab anschlug, da vergingen dem Kleinen die Sinne. Er bat anfangs ganz bescheiden, sein Vater möchte langsamer reiten; als es aber immer schneller ging und der heftige Wind dem armen Kuno beinahe den Atem nahm, da fing er an, still zu weinen, wurde immer ungeduldiger und schrie am Ende aus Leibeskräften.

»Weiß schon, dummes Zeug!« fing jetzt sein Vater an. »Heult der Junge beim ersten Ritt! Schweig, oder ...«

Doch den Augenblick, als er mit einem Fluche sein Söhnlein aufmuntern wollte, bäumte sich sein Roß, der Zügel des andern entfiel seiner Hand; er arbeitete sich ab, Meister seines Tieres zu werden, und als er es zur Ruhe gebracht hatte und sich ängstlich nach seinem Kinde umsah, erblickte er dessen Pferd, wie es ledig und ohne den kleinen Reiter der Burg zulief.

So ein harter, finsterer Mann der Graf von Zollern sonst war, so überwand doch dieser Anblick sein Herz; er glaubte nicht anders, als sein Kind liege zerschmettert am Weg. Er raufte sich den Bart und jammerte, aber nirgends, soweit er zurückritt, sah er eine Spur von dem Knaben. Schon stellte er sich vor, das scheu gewordene Roß habe ihn in einen Wassergraben geschleudert, der neben dem Wege lag, da hörte er von

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