Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 59)
und Verwünschungen gegen den Richter und den Kalifen. So schrecklich sein Schicksal vor ihm lag; so fürchterlich der Gedanke war, auf eine wüste Insel verbannt zu werden, so fand er doch noch einigen Trost darin, schon am folgenden Tage aus diesem schrecklichen Gefängnis erlöst zu werden.
Aber er täuschte sich sehr, als er glaubte, sein Zustand auf dem Schiffe werde besser sein. In den untersten Raum, wo man nicht aufrecht stehen konnte, wurden die zwanzig Verbrecher hinabgeworfen, und dort stießen und schlugen sie sich um die besten Plätze. Die Anker wurden gelichtet, und Said weinte bittere Tränen, als sich das Schiff, das ihn von seinem Vaterland entführen sollte, zu bewegen anfing. Nur einmal des Tages teilte man ihnen ein wenig Brot und Früchte und einen Trunk Süßwasser aus, und so dunkel war es in dem Schiffsraum, daß man immer Lichter herabbringen mußte, wenn die Gefangenen speisen sollten. Beinahe alle zwei, drei Tage fand man einen Toten unter ihnen, so ungesund war die Luft in diesem Wasserkerker, und Said wurde nur durch seine Jugend und seine feste Gesundheit erhalten.
Vierzehn Tage waren sie schon auf dem Wasser, als eines Tages die Wellen heftiger rauschten und ein ungewöhnliches Rennen auf dem Schiffe entstand. Said ahnte, daß ein Sturm im Anzug sei; es war ihm sogar angenehm, denn er hoffte dann zu sterben.
Heftiger wurde das Schiff hin und her geworfen, und endlich saß es mit schrecklichem Krachen fest. Geschrei und Geheul scholl von dem Verdeck herab und mischte sich mit dem Brausen des Sturmes. Endlich wurde es wieder stille, aber zu gleicher Zeit entdeckte auch einer der Gefangenen, daß das Wasser in das Schiff eindringe. Sie pochten an der Falltür nach oben, aber man antwortete ihnen nicht. Als daher das Wasser immer heftiger eindrang, stemmten sie sich mit vereinigten Kräften gegen die Tür und sprengten sie auf.
Sie stiegen die Treppe hinan, aber oben fanden sie keinen Menschen mehr; die ganze Schiffsmannschaft hatte sich in Booten gerettet. Jetzt gerieten die meisten Gefangenen in Verzweiflung, denn der Sturm wütete immer heftiger, das Schiff krachte und senkte sich. Noch einige Stunden saßen sie auf dem Verdeck und hielten ihre letzte Mahlzeit von den Vorräten, die sie im Schiff gefunden; dann erneuerte sich auf einmal der Sturm, das Schiff wurde von der Klippe, worauf es festsaß, hinweggerissen und brach zusammen.
Said hatte sich am Mast angeklammert und hielt ihn, als das Schiff geborsten war, noch immer fest. Die Wellen warfen ihn hin und her, aber er hielt sich, mit den Füßen rudernd, immer wieder oben.
So schwamm er in immerwährender Todesgefahr eine halbe Stunde, da fiel die Kette mit dem Pfeifchen wieder aus seinem Kleid, und noch einmal wollte er versuchen, ob es nicht töne. Mit der einen Hand klammerte er sich fest, mit der andern setzte er es an seinen Mund, blies – ein heller, klarer Ton erscholl, und augenblicklich legte sich der Sturm, und die Wellen glätteten sich, als hätte man Öl darauf ausgegossen.
Kaum hatte er sich mit leichterem Atem umgesehen, ob er nicht irgendwo Land erspähen könnte, als