Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 61)

Vaters Haus verlassen hatte, bis zu seiner wunderbaren Rettung. Oft wurde er von ihnen mit Zeichen des Staunens und der Verwunderung unterbrochen; als er aber geendet hatte, sprach der Herr des Hauses, der ihn so freundlich empfangen hatte: »Ich traue deinen Worten, Said! Aber du erzähltest uns, daß du im Wettkampf eine Kette gewonnen und daß dir der Kalif einen Ring geschenkt; kannst du wohl diese uns zeigen?«

»Hier, auf meinem Herzen, habe ich beide verwahrt«, sprach der Jüngling, »und nur mit meinem Leben hätte ich so teure Geschenke hergegeben, denn ich achte es für die ruhmvollste und schönste Tat, daß ich den großen Kalifen aus den Händen seiner Mörder befreite.« Zugleich zog er Kette und Ring hervor und übergab beides den Männern.

»Beim Bart des Propheten, er ist's! Es ist mein Ring!« rief der hohe, schöne Mann. »Großwesir, laß uns ihn umarmen, denn hier steht unser Retter.«

Said war es wie ein Traum, als diese zwei ihn umschlangen, aber alsobald warf er sich nieder und sprach: »Verzeihe, Beherrscher der Gläubigen, daß ich so vor dir gesprochen habe, denn du bist kein anderer als Harun al-Raschid, der große Kalif von Bagdad.«

»Der bin ich und dein Freund«, antwortete Harun, »und von dieser Stunde an sollen sich alle deine trüben Schicksale wenden. Folge mir nach Bagdad, bleibe in meiner nächsten Umgebung und sei einer meiner vertrautesten Beamten, denn wahrlich, du hast in jener Nacht gezeigt, daß dir Harun nicht gleichgültig sei; und nicht jeden meiner treuesten Diener möchte ich auf gleiche Probe stellen!«

Said dankte dem Kalifen; er versprach ihm, auf immer bei ihm zu bleiben, wenn er zuvor eine Reise zu seinem Vater, der in großen Sorgen um ihn sein müsse, gemacht haben werde, und der Kalif fand dies gerecht und billig. Sie setzten sich bald zu Pferd und kamen noch vor Sonnenuntergang in Bagdad an. Der Kalif ließ Said eine lange Reihe prachtvoll geschmückter Zimmer in seinem Palast anweisen und versprach ihm noch überdies, ein eigenes Haus für ihn erbauen zu lassen.

Auf die erste Kunde von diesem Ereignis eilten die alten Waffenbrüder Saids, der Bruder des Kalifen und der Sohn des Großwesirs, herbei. Sie umarmten ihn als Retter dieser teuren Männer und baten ihn, er möchte ihr Freund werden. Aber sprachlos wurden sie vor Erstaunen, als er sagte: »Euer Freund bin ich längst«, als er die Kette, die er als Kampfpreis erhalten, hervorzog und sie an dieses und jenes erinnerte. Sie hatten ihn immer nur schwärzlichbraun und mit langem Bart gesehen, und erst, als er erzählte, wie und warum er sich entstellt habe, als er zu seiner Rechtfertigung stumpfe Waffen herbeibringen ließ, mit ihnen focht und ihnen den Beweis gab, daß er Almansor der Tapfere sei, erst dann umarmten sie ihn mit Jubel von neuem und priesen sich glücklich, einen solchen Freund zu haben.

Den folgenden Tag, als eben Said mit dem Großwesir bei Harun saß, trat Messour, der Oberkämmerer, herein und sprach: »Beherrscher der Gläubigen, so es anders sein kann, möchte ich dich um eine Gnade bitten.«

»Ich will zuvor hören«, antwortete Harun.

»Draußen steht mein

Seiten