Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 62)
lieber leiblicher Vetter Kalum-Bek, ein berühmter Kaufmann auf dem Basar«, sprach er; »der hat einen sonderbaren Handel mit einem Mann aus Balsora, dessen Sohn Kalum-Bek diente, nachher gestohlen hat, dann entlaufen ist, und niemand weiß wohin. Nun will aber der Vater seinen Sohn von Kalum haben, und dieser hat ihn doch nicht. Er wünscht daher und bittet um die Gnade, du möchtest kraft deiner großen Erleuchtung und Weisheit sprechen zwischen dem Mann aus Balsora und ihm.«
»Ich will richten«, erwiderte der Kalif. »In einer halben Stunde möge dein Herr Vetter mit seinem Gegner in den Gerichtssaal treten.«
Als Messour dankend gegangen war, sprach Harun: »Das ist niemand anderes als dein Vater, Said, und da ich nun glücklicherweise alles, wie es ist, erfahren habe, will ich richten wie Salomo. Du, Said, verbirgst dich hinter dem Vorhang meines Thrones, bis ich dich rufe, und du, Großwesir, läßt mir sogleich den schlechten und voreiligen Polizeirichter holen. Ich werde ihn im Verhör brauchen.«
Sie taten beide, wie er befohlen. Saids Herz pochte stärker, als er seinen Vater bleich und abgehärmt, mit wankenden Schritten in den Gerichtssaal treten sah, und Kalum-Beks feines, zuversichtliches Lächeln, womit er zu seinem Vetter Oberkämmerer flüsterte, machte ihn so grimmig, daß er gerne hinter dem Vorhang hervor auf ihn losgestürzt wäre, denn seine größten Leiden und Kümmernisse hatte er diesem schlechten Menschen zu danken.
Es waren viele Menschen im Saal, die den Kalifen Recht sprechen hören wollten. Der Großwesir gebot, nachdem der Herrscher von Bagdad auf seinem Thron Platz genommen hatte, Stille und fragte, wer hier als Kläger vor seinem Herrn erscheine.
Kalum-Bek trat mit frecher Stirn vor und sprach: »Vor einigen Tagen stand ich unter der Tür meines Gewölbes im Basar, als ein Ausrufer, einen Beutel in der Hand und diesen Mann hier neben sich, durch die Buden schritt und rief: ›Einen Beutel Gold dem, der Auskunft geben kann über Said aus Balsora.‹
Dieser Said war in meinen Diensten gewesen, und ich rief daher:
›Hierher, Freund! Ich kann den Beutel verdienen.‹
Dieser Mann, der jetzt so feindlich gegen mich ist, kam freundlich und fragte, was ich wüßte. Ich antwortete: ›Ihr seid wohl Benezar, sein Vater?‹, und als er dies freudig bejahte, erzählte ich ihm, wie ich den jungen Menschen in der Wüste gefunden, gerettet und gepflegt und nach Bagdad gebracht habe. In der Freude seines Herzens schenkte er mir den Beutel. Aber hört diesen unsinnigen Menschen: Wie ich ihm nun weiter erzählte, daß sein Sohn bei mir gedient habe, daß er schlechte Streiche gemacht, gestohlen habe und davongegangen sei, will er es nicht glauben, hadert schon seit einigen Tagen mit mir, fordert seinen Sohn und sein Geld zurück, und beides kann ich nicht geben; denn das Geld gebührt mir für die Nachricht, die ich ihm gab, und seinen ungeratenen Burschen kann ich nicht herbeischaffen.«
Jetzt sprach auch Benezar. Er schilderte seinen Sohn, wie edel und tugendhaft er sei und daß er niemals habe so schlecht sein können, zu stehlen. Er forderte den Kalifen auf, streng zu untersuchen.
»Ich hoffe«, sprach Harun, »du hast, wie es Pflicht ist, den Diebstahl