Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 9)

totschlügen, denn die Drohung der Frau Feldheimerin, die er in seinem Herzen für eine ausgemachte Hexe hielt – »Na, man wird ja sehen, was von Eurem Erbe einen Hirschgulden wert ist!« –, lag ihm noch immer in seinem Sinn.

Eines Tages, da er in der Umgegend seines Schlosses jagte, fielen ihm zwei Berge ins Auge, die ihrer Form wegen wie zu Schlössern geschaffen schienen, und sogleich beschloß er auch, dort zu bauen. Er baute auf dem einen das Schloß Schalksberg, das er nach dem kleineren der Zwillinge so nannte, weil dieser wegen allerlei böser Streiche längst von ihm den Namen »Kleiner Schalk« erhalten hatte; das andere Schloß, das er baute, wollte er anfänglich Hirschguldenberg nennen, um die Hexe zu verhöhnen, weil sie sein Erbe nicht einmal eines Hirschguldens wert achtete; er ließ es aber bei dem einfacheren Hirschberg bewenden, und so heißen die beiden Berge noch bis auf den heutigen Tag, und wer die Alb bereist, kann sie sich zeigen lassen.

Das Böse Wetter von Zollern hatte anfänglich im Sinn, seinem ältesten Sohn Zollern, dem Kleinen Schalk Schalksberg und dem andern Hirschberg im Testament zu vermachen; aber seine Frau ruhte nicht eher, bis er es änderte. »Der Dumme Kuno«, so nannte sie den armen Knaben, weil er nicht so wild und ausgelassen war wie ihre Söhne, »der Dumme Kuno ist ohnedies reich genug durch das, was er von seiner Mutter erbte, und er soll auch noch das schöne, reiche Zollern haben? Und meine Söhne sollen nichts bekommen als jeder eine Burg, zu welcher nichts gehört als Wald?«

Vergebens stellte ihr der Graf vor, daß man Kuno billigerweise das Erstgeburtsrecht nicht rauben dürfe; sie weinte und zankte so lange, bis das Böse Wetter, das sich sonst niemand fügte, des lieben Friedens willen nachgab und im Testament dem Kleinen Schalk Schalksberg, Wolf, dem größeren Zwillingsbruder, Zollern und Kuno Hirschberg mit dem Städtchen Balingen verschrieb.

Bald darauf, nachdem er also verfügt hatte, fiel er auch in eine schwere Krankheit. Zu dem Arzt, der ihm sagte, daß er sterben müsse, sagte er: »Ich weiß schon«, und dem Schloßkaplan, der ihn ermahnte, sich zu einem frommen Ende vorzubereiten, antwortete er: »Dummes Zeug«, fluchte und raste fort und starb, wie er gelebt hatte: roh und als ein großer Sünder.

Aber sein Leichnam war noch nicht beigesetzt, so kam die Frau Gräfin schon mit dem Testament herbei, sagte zu Kuno, ihrem Stiefsohn, spöttisch, er möchte jetzt seine Gelehrsamkeit beweisen und selbst nachlesen, was im Testament stehe, nämlich, daß er in Zollern nichts mehr zu tun habe, und freute sich mit ihren Söhnen über das schöne Vermögen und die beiden Schlösser, die sie ihm, dem Erstgeborenen, entrissen hatten.

Kuno fügte sich ohne Murren in den Willen des Verstorbenen; aber mit Tränen nahm er Abschied von der Burg, wo er geboren worden, wo seine gute Mutter begraben lag und wo der gute Schloßkaplan und nahe dabei seine einzige, alte Freundin, Frau Feldheimerin, wohnte. Das Schloß Hirschberg war zwar ein schönes, stattliches Gebäude, aber es war ihm doch zu einsam und öde, und er wäre bald

Seiten