Ungekürztes Werk "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" von Heinrich Heine (Seite 20)

Caput XVIII

Und es war die Zeit des Vollmonds,

In der Nacht vor Sankt Johannis,

Wo der Spuk der wilden Jagd

Umzieht durch den Geisterhohlweg.

Aus dem Fenster von Urakas

Hexennest konnt ich vortrefflich

Das Gespensterheer betrachten,

Wie es durch die Gasse hinzog.

Hatte einen guten Platz

Den Spektakel anzuschauen;

Ich genoß den vollen Anblick

Grabentstiegner Totenfreude.

Peitschenknall, Hallo und Hussa!

Roßgewiehr, Gebell von Hunden!

Jagdhorntöne und Gelächter!

Wie das jauchzend widerhallte!

Lief voraus, gleichsam als Vortrab,

Abenteuerliches Hochwild,

Hirsch und Säue, rudelweis;

Hetzend hinterdrein die Meute.

Jäger aus verschiednen Zonen

Und aus gar verschiednen Zeiten;

Neben Nimrod von Assyrien

Ritt zum Beispiel Karl der Zehnte.

Hoch auf weißen Rossen sausten

Sie dahin. Zu Fuße folgten

Die Pikeure mit der Koppel

Und die Pagen mit den Fackeln.

Mancher in dem wüsten Zuge

Schien mir wohlbekannt – der Ritter,

Der in goldner Rüstung glänzte,

War es nicht der König Artus?

Und Herr Ogier, der Däne,

Trug er nicht den schillernd grünen

Ringenpanzer, daß er aussah

Wie ein großer Wetterfrosch?

Auch der Helden des Gedankens

Sah ich manchen in dem Zuge.

Ich erkannte unsern Wolfgang

An dem heitern Glanz der Augen –

Denn, verdammt von Hengstenberg,

Kann er nicht im Grabe ruhen,

Und mit heidnischem Gelichter

Setzt er fort des Lebens Jagdlust.

An des Mundes holdem Lächeln

Hab ich auch erkannt den William,

Den die Puritaner gleichfalls

Einst verflucht; auch dieser Sünder

Muß das wilde Heer begleiten

Nachts auf einem schwarzen Rappen.

Neben ihm, auf einem Esel,

Ritt ein Mensch – Und, heilger Himmel,

An der matten Betermiene,

An der frommen weißen Schlafmütz,

An der Seelenangst, erkannt ich

Unsern alten Freund Franz Horn!

Weil er einst das Weltkind Shakespeare

Kommentiert, muß jetzt der Ärmste

Nach dem Tode mit ihm reiten

Im Tumult der wilden Jagd!

Ach, mein stiller Franz muß reiten,

Er, der kaum gewagt zu gehen,

Er, der nur im Teegeschwätze

Und im Beten sich bewegte!

Werden nicht die alten Jungfern,

Die gehätschelt seine Ruhe,

Sich entsetzen, wenn sie hören,

Daß der Franz ein wilder Jäger!

Wenn es manchmal im Galopp geht,

Schaut der große William spöttisch

Auf den armen Kommentator,

Der im Eselstrab ihm nachfolgt,

Ganz ohnmächtig, fest sich krampend

An den Sattelknopf des Grauchens,

Doch im Tode, wie im Leben,

Seinem Autor treulich folgend.

Auch der Damen sah ich viele

In dem tollen Geisterzuge,

Ganz besonders schöne Nymphen,

Schlanke, jugendliche Leiber.

Rittlings saßen sie zu Pferde,

Mythologisch splitternackt;

Doch die Haare fielen lockigt

Lang herab, wie goldne Mäntel.

Trugen Kränze auf den Häuptern,

Und mit keck zurückgebognen,

Übermütgen Posituren

Schwangen sie belaubte Stäbe.

Neben ihnen sah ich einge

Zugeknöpfte Ritterfräulein,

Schräg auf Damensätteln sitzend,

Und den Falken auf der Faust.

Parodistisch hinterdrein,

Auf Schindmähren, magern Kleppern,

Ritt ein Troß von komödiantisch

Aufgeputzten Weibspersonen,

Deren Antlitz reizend lieblich,

Aber auch ein bißchen frech.

Schrien, wie rasend, mit den vollen

Liederlich geschminkten Backen.

Wie das jubelnd widerhallte!

Jagdhorntöne und Gelächter!

Roßgewiehr, Gebell von Hunden!

Peitschenknall, Hallo und Hussa!

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