Ungekürztes Werk "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" von Heinrich Heine (Seite 18)

Caput XVI

Schaust du diese Bergesgipfel

Aus der Fern, so strahlen sie,

Wie geschmückt mit Gold und Purpur,

Fürstlich stolz im Sonnenglanze.

Aber in der Nähe schwindet

Diese Pracht, und wie bei andern

Irdischen Erhabenheiten

Täuschten dich die Lichteffekte.

Was dir Gold und Purpur dünkte,

Ach, das ist nur eitel Schnee,

Eitel Schnee, der blöd und kläglich

In der Einsamkeit sich langweilt.

Oben in der Nähe hört ich,

Wie der arme Schnee geknistert,

Und den fühllos kalten Winden

All sein weißes Elend klagte.

»O, wie langsam« – seufzt’ er – »schleichen

In der Öde hier die Stunden!

Diese Stunden ohne Ende,

Wie gefrorne Ewigkeiten!

O, ich armer Schnee! O, wär ich,

Statt auf diese Bergeshöhen,

Wär ich doch ins Tal gefallen,

In das Tal, wo Blumen blühen!

Hingeschmolzen wär ich dann

Als ein Bächlein, und des Dorfes

Schönstes Mädchen wüsche lächelnd

Ihr Gesicht mit meiner Welle.

Ja, ich wär vielleicht geschwommen

Bis ins Meer, wo ich zur Perle

Werden konnte, um am Ende

Eine Königskron zu zieren!«

Als ich diese Reden hörte,

Sprach ich: »Liebster Schnee, ich zweifle,

Daß im Tale solch ein glänzend

Schicksal dich erwartet hätte.

Tröste dich. Nur wenge unten

Werden Perlen, und du fielest

Dort vielleicht in eine Pfütze,

Und ein Dreck wärst du geworden!«

Während ich in solcher Weise

Mit dem Schnee Gespräche führte,

Fiel ein Schuß, und aus den Lüften

Stürzt herab ein brauner Geier.

Späßchen wars von dem Laskaro,

Jägerspäßchen. Doch sein Antlitz

Blieb wie immer starr und ernsthaft.

Nur der Lauf der Flinte rauchte.

Eine Feder riß er schweigend

Aus dem Steiß des Vogels, steckte

Sie auf seinen spitzen Filzhut,

Und er schritt des Weges weiter.

Schier unheimlich war der Anblick,

Wie sein Schatten mit der Feder

Auf dem weißen Schnee der Koppen,

Schwarz und lang, sich hinbewegte.

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