Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 129)
fingen die Gedanken der einzelnen Teile an, sich zu drehen wie leuchtende Punkte, immer schneller und schneller, so daß sie einen Feuerkreis bildeten, der wurde kleiner, sowie die Schnelligkeit wuchs, daß er zuletzt nur eine stillstehende Feuerkugel schien. Aus der schossen rotglühende Strahlen und bewegten sich im farbichten Flammenspiel. Das sind meine Glieder, die sich regen, jetzt erwache ich! So dachte ich deutlich, aber in dem Augenblick durchzuckte mich ein jäher Schmerz, helle Glockentöne schlugen an mein Ohr. »Fliehen, weiter fort! – weiter fort!« rief ich laut, wollte mich schnell aufraffen, fiel aber entkräftet zurück. Jetzt erst vermochte ich die Augen zu öffnen. Die Glockentöne dauerten fort – ich glaubte noch im Walde zu sein, aber wie erstaunte ich, als ich die Gegenstände ringsumher, als ich mich selbst betrachtete. In dem Ordenshabit der Kapuziner lag ich in einem hohen einfachen Zimmer auf einer wohlgepolsterten Matratze ausgestreckt. Ein paar Rohrstühle, ein kleiner Tisch und ein ärmliches Bett waren die einzigen Gegenstände, die sich noch im Zimmer befanden. Es wurde mir klar, daß mein bewußtloser Zustand eine Zeitlang gedauert haben und daß ich in demselben auf diese oder jene Weise in ein Kloster gebracht sein mußte, das Kranke aufnehme. Vielleicht war meine Kleidung zerrissen, und man gab mir vorläufig eine Kutte. Der Gefahr, so schien es mir, war ich entronnen. Diese Vorstellungen beruhigten mich ganz, und ich beschloß abzuwarten, was sich weiter zutragen würde, da ich voraussetzen konnte, daß man bald nach dem Kranken sehen würde. Ich fühlte mich sehr matt, sonst aber ganz schmerzlos. Nur einige Minuten hatte ich so, zum vollkommenen Bewußtsein erwacht, gelegen, als ich Tritte vernahm, die sich wie auf einem langen Gang näherten. Man schloß meine Türe auf, und ich erblickte zwei Männer, von denen einer bürgerlich gekleidet war, der andere aber den Ordenshabit der Barmherzigen Brüder trug. Sie traten schweigend auf mich zu, der bürgerlich Gekleidete sah mir scharf in die Augen und schien sehr verwundert. »Ich bin wieder zu mir selbst gekommen, mein Herr«, fing ich mit matter Stimme an, »dem Himmel sei es gedankt, der mich zum Leben erweckt hat – wo befinde ich mich aber? Wie bin ich hergekommen?« – Ohne mir zu antworten, wandte sich der bürgerlich Gekleidete zu dem Geistlichen und sprach auf italienisch: »Das ist in der Tat erstaunenswürdig, der Blick ist ganz verändert, die Sprache rein, nur matt ... es muß eine besondere Krisis eingetreten sein.« – »Mir scheint«, erwiderte der Geistliche, »mir scheint, als wenn die Heilung nicht mehr zweifelhaft sein könne.« – »Das kommt«, fuhr der bürgerlich Gekleidete fort, »das kommt darauf an, wie er sich in den nächsten Tagen hält. Verstehen Sie nicht so viel Deutsch, um mit ihm zu sprechen?« – »Leider nein«, antwortete der Geistliche. – »Ich verstehe und spreche Italienisch«, fiel ich ein; »sagen Sie mir, wo bin ich, wie bin ich hergekommen?« – Der bürgerlich Gekleidete, wie ich wohl merken konnte, ein Arzt, schien freudig verwundert. »Ah«, rief er aus, »ah, das ist gut. Ihr befindet Euch, ehrwürdiger Herr, an einem Orte,