Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 131)

den Armen geführt, und nach jedem Schritt machte er einen possierlichen Sprung und pfiff dazu mit durchdringender Stimme. Erstaunt blieb ich stehen, doch der Geistliche, der mich begleitete, zog mich schnell fort, indem er sprach: »Kommt, kommt, lieber Bruder Medardus! Das ist nichts für Euch.« – »Um Gott«, rief ich aus, »woher wißt Ihr meinen Namen?« – Die Heftigkeit, womit ich diese Worte ausstieß, schien meinen Begleiter zu beunruhigen. »Ei«, sprach er, »wie sollen wir denn Euern Namen nicht wissen? Der Mann, der Euch herbrachte, nannte ihn ja ausdrücklich, und Ihr seid eingetragen in die Register des Hauses: Medardus, Bruder des Kapuzinerklosters zu B.« – Eiskalt bebte es mir durch die Glieder. Aber mochte der Unbekannte, der mich in das Krankenhaus gebracht hatte, sein, wer er wollte, mochte er eingeweiht sein in mein entsetzliches Geheimnis; er konnte nichts Böses wollen, denn er hatte ja freundlich für mich gesorgt, und ich war ja frei. –

Ich lag im offnen Fenster und atmete in vollen Zügen die herrliche, warme Luft ein, die, durch Mark und Adern strömend, neues Leben in mir entzündete, als ich eine kleine dürre Figur, ein spitzes Hütchen auf dem Kopfe und in einem ärmlichen, erblichenen Überrock gekleidet, den Hauptgang nach dem Hause herauf mehr hüpfen und trippeln als gehen sah. Als er mich erblickte, schwenkte er den Hut in der Luft und warf mir Kußhändchen zu. Das Männlein hatte etwas Bekanntes, doch konnte ich die Gesichtszüge nicht deutlich erkennen, und er verschwand unter den Bäumen, ehe ich mit mir einig geworden, wer es wohl sein möge. Doch nicht lange dauerte es, so klopfte es an meine Türe, ich öffnete, und dieselbe Figur, die ich im Garten gesehen, trat herein. »Schönfeld«, rief ich voll Verwunderung, »Schönfeld, wie kommen Sie her, um des Himmels willen?« – Es war jener närrische Friseur aus der Handelsstadt, der mich damals rettete aus großer Gefahr. »Ach – ach, ach!« seufzte er, indem sich sein Gesicht auf komische Weise weinerlich verzog. »Wie soll ich denn herkommen, ehrwürdiger Herr, wie soll ich denn herkommen anders als geworfen – geschleudert von dem bösen Verhängnis, das alle Genies verfolgt! Eines Mordes wegen mußte ich fliehen ...« – »Eines Mordes wegen?« unterbrach ich ihn heftig. »Ja, eines Mordes wegen«, fuhr er fort, »ich hatte im Zorn den linken Backenbart des jüngsten Kommerzienrates in der Stadt getötet und dem rechten gefährliche Wunden beigebracht.« – »Ich bitte Sie«, unterbrach ich ihn aufs neue, »lassen Sie die Possen, seien Sie einmal vernünftig und erzählen Sie im Zusammenhange oder verlassen Sie mich.« – »Ei, lieber Bruder Medardus«, fing er plötzlich sehr ernst an, »du willst mich fortschicken, nun du genesen, und mußtest mich doch in deiner Nähe leiden, als du krank dalagst und ich dein Stubenkamerad war und in jenem Bette schlief.« – »Was heißt das«, rief ich bestürzt aus, »wie kommen Sie auf den Namen Medardus?« – »Schauen Sie«, sprach er lächelnd, »den rechten Zipfel Ihrer Kutte gefälligst an.« Ich tat es und erstarrte vor Schreck und Erstaunen, denn ich fand, daß der

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