Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 137)
der Tasche trägt, ohne es zu nutzen zu seiner Lust und Freude.«
Der Geistliche hatte bald mich, bald den grimassierenden Schönfeld mit Aufmerksamkeit betrachtet; er verstand, da wir deutsch sprachen, kein Wort; jetzt unterbrach er unser Gespräch. »Verzeihet, meine Herren, wenn es meine Pflicht heischt, eine Unterredung zu enden, die euch beiden unmöglich wohltun kann. Ihr seid, mein Bruder, noch zu sehr geschwächt, um von Dingen, die wahrscheinlich aus Euerm frühern Leben schmerzhafte Erinnerungen aufregen, so anhaltend fortzusprechen; Ihr könnet ja nach und nach von Euerm Freunde alles erfahren, denn wenn Ihr auch ganz genesen unsere Anstalt verlasset, so wird Euch doch wohl Euer Freund weiter geleiten. Zudem habt Ihr« – er wandte sich zu Schönfeld –, »eine Art des Vortrags, die ganz dazu geeignet ist, alles das, wovon Ihr sprecht, dem Zuhörer lebendig vor Augen zu bringen. In Deutschland muß man Euch für toll halten, und selbst bei uns würdet Ihr für einen guten Buffone gelten. Ihr könnt auf dem komischen Theater Euer Glück machen.« Schönfeld starrte den Geistlichen mit weit aufgerissenen Augen an, dann erhob er sich auf den Fußspitzen, schlug die Hände über den Kopf zusammen und rief auf italienisch: »Geisterstimme! ... Schicksalsstimme, du hast aus dem Munde dieses ehrwürdigen Herrn zu mir gesprochen! ... Belcampo ... Belcampo ... so konntest du deinen wahrhaften Beruf verkennen ... Es ist entschieden!« – Damit sprang er zur Türe hinaus. Den andern Morgen trat er reisefertig zu mir herein. »Du bist, mein lieber Bruder Medardus«, sprach er, »nunmehr ganz genesen, du bedarfst meines Beistandes nicht mehr, ich ziehe fort, wohin mich mein innerster Beruf leitet ... Lebe wohl! Doch erlaube, daß ich zum letztenmal meine Kunst, die mir nun wie ein schnödes Gewerbe vorkommt, an dir übe.« Er zog Messer, Schere und Kamm hervor und brachte unter tausend Grimassen und possenhaften Reden meine Tonsur und meinen Bart in Ordnung. Der Mensch war mir trotz der Treue, die er mir bewiesen, unheimlich geworden; ich war froh, als er geschieden.
Der Arzt hatte mir mit stärkender Arznei ziemlich aufgeholfen; meine Farbe war frischer geworden, und durch immer längere Spaziergänge gewann ich meine Kräfte wieder. Ich war überzeugt, eine Fußreise aushalten zu können, und verließ ein Haus, das dem Geisteskranken wohltätig, dem Gesunden aber unheimlich und grauenvoll sein mußte. Man hatte mir die Absicht unterschoben, nach Rom zu pilgern, ich beschloß, dieses wirklich zu tun, und so wandelte ich fort auf der Straße, die als dorthin führend mir bezeichnet worden war. Unerachtet mein Geist vollkommen genesen, war ich mir doch selbst eines gefühllosen Zustandes bewußt, der über jedes im Innern aufkeimende Bild einen düstern Flor warf, so daß alles farblos, grau in grau erschien. Ohne alle deutliche Erinnerung des Vergangenen, beschäftigte mich die Sorge für den Augenblick ganz und gar. Ich sah in die Ferne, um den Ort zu erspähen, wo ich würde einsprechen können, um mir Speise oder Nachtquartier zu erbetteln, und war recht innig froh, wenn Andächtige meinen Bettelsack und meine Flasche gut gefüllt hatten, wofür ich meine Gebete mechanisch herplapperte. Ich war