Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 138)

selbst im Geist zum gewöhnlichen stupiden Bettelmönch herabgesunken. So kam ich endlich an das große Kapuzinerkloster, das, wenige Stunden von Rom, nur von Wirtschaftsgebäuden umgeben, einzeln daliegt. Dort mußte man den Ordensbruder aufnehmen, und ich gedachte, mich in voller Gemächlichkeit recht auszupflegen. Ich gab vor, daß, nachdem das Kloster in Deutschland, worin ich mich sonst befand, aufgehoben wurde, ich fortgepilgert sei und in irgendein anderes Kloster meines Ordens einzutreten wünsche. Mit der Freundlichkeit, die den italienischen Mönchen eigen, bewirtete man mich reichlich, und der Prior erklärte, daß, insofern mich nicht vielleicht die Erfüllung eines Gelübdes weiterzupilgern nötige, ich als Fremder so lange im Kloster bleiben könne, als es mir anstehen würde.

Es war Vesperzeit, die Mönche gingen in den Chor, und ich trat in die Kirche. Der kühne, herrliche Bau des Schiffs setzte mich nicht wenig in Verwunderung, aber mein zur Erde gebeugter Geist konnte sich nicht erheben, wie es sonst geschah, seit der Zeit, als ich, ein kaum erwachtes Kind, die Kirche der heiligen Linde geschaut hatte. Nachdem ich mein Gebet am Hochaltar verrichtet, schritt ich durch die Seitengänge, die Altargemälde betrachtend, welche, wie gewöhnlich, die Martyrien der Heiligen, denen sie geweiht, darstellten. Endlich trat ich in eine Seitenkapelle, deren Altar von den durch die bunten Fensterscheiben brechenden Sonnenstrahlen magisch beleuchtet wurde. Ich wollte das Gemälde betrachten, ich stieg die Stufen hinauf: die heilige Rosalia – das verhängnisvolle Altarblatt meines Klosters! – Ach! – Aurelien erblickte ich! Mein ganzes Leben – meine tausendfachen Frevel – meine Missetaten – Hermogens, Aureliens Mord – alles – alles nur ein entsetzlicher Gedanke, und der durchfuhr wie ein spitzes glühendes Eisen mein Gehirn. – Meine Brust – Adern und Fibern, zerrissen im wilden Schmerz der grausamsten Folter! – Kein lindernder Tod! – Ich warf mich nieder – ich zerriß in rasender Verzweiflung mein Gewand – ich heulte auf im trostlosen Jammer, daß es weit in der Kirche nachhallte: »Ich bin verflucht, ich bin verflucht! – Keine Gnade – kein Trost mehr, hier und dort! – Zur Hölle – zur Hölle – ewige Verdammnis über mich verruchten Sünder beschlossen!« – Man hob mich auf – die Mönche waren in der Kapelle, vor mir stand der Prior, ein hoher ehrwürdiger Greis. Er schaute mich an mit unbeschreiblich mildem Ernst, er faßte meine Hände, und es war, als halte ein Heiliger, von himmlischem Mitleid erfüllt, den Verlornen in den Lüften über dem Flammenpfuhl fest, in den er hinabstürzen wollte. »Du bist krank, mein Bruder!« sprach der Prior. »Wir wollen dich in das Kloster bringen, da magst du dich erholen.« Ich küßte seine Hände, sein Kleid, ich konnte nicht sprechen, nur tiefe angstvolle Seufzer verrieten den fürchterlichen, zerrissenen Zustand meiner Seele. – Man führte mich in das Refektorium, auf einen Wink des Priors entfernten sich die Mönche, ich blieb mit ihm allein. »Du scheinst, mein Bruder«, fing er an, »von schwerer Sünde belastet, denn nur die tiefste, trostloseste Reue über eine entsetzliche Tat kann sich so gebärden. Doch groß ist die Langmut des Herrn, stark und kräftig ist

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