Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 158)

als ein Heiliger des Herrn und angebetet zu werden von dem fanatischen Pöbel, so greife in deine Brust und forsche wohl, wie der innerste Gedanke beschaffen, der dich so zu handeln treibt.– Bist du nicht rein vor dem Herrn und vor mir, seinem Statthalter, so nimmst du bald ein schmähliches Ende, Mönch Medardus!« – Diese Worte sprach der Papst mit starker, durchdringender Stimme, und wie treffende Blitze funkelte es aus seinen Augen. Nach langer Zeit zum erstenmal fühlte ich mich nicht der Sünde schuldig, der ich angeklagt wurde, und so mußte es wohl kommen, daß ich nicht allein meine Fassung behielt, sondern auch von dem Gedanken, daß meine Buße aus wahrer innerer Zerknirschung hervorgegangen, erhoben wurde und wie ein Begeisterter zu sprechen vermochte: »Ihr hochheiliger Statthalter des Herrn, wohl ist Euch die Kraft verliehen, in mein Inneres zu schauen; wohl mögt Ihr es wissen, daß zentnerschwer mich die unsägliche Last meiner Sünden zu Boden drückt, aber ebenso werdet Ihr die Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von mir ist der Gedanke schnöder Heuchelei, fern von mir jede ehrgeizige Absicht, das Volk zu täuschen auf verruchte Weise. – Vergönnt es dem büßenden Mönche, o hochheiliger Herr, daß er in kurzen Worten sein verbrecherisches Leben, aber auch das, was er in der tiefsten Reue und Zerknirschung begonnen, Euch enthülle!« –

So fing ich an und erzählte nun, ohne Namen zu nennen und so gedrängt als möglich, meinen ganzen Lebenslauf. Aufmerksamer und aufmerksamer wurde der Papst. Er setzte sich in den Lehnstuhl und stützte den Kopf in die Hand; er sah zur Erde nieder, dann fuhr er plötzlich in die Höhe; die Hände übereinandergeschlagen und mit dem rechten Fuß ausschreitend, als wolle er auf mich zutreten, starrte er mich an mit glühenden Augen. Als ich geendet, setzte er sich aufs neue. »Eure Geschichte, Mönch Medardus«, fing er an, »ist die verwunderlichste, die ich jemals vernommen. – Glaubt Ihr an die offenbare, sichtliche Einwirkung einer bösen Macht, die die Kirche Teufel nennt?« – Ich wollte antworten, der Papst fuhr fort: »Glaubt Ihr, daß der Wein, den Ihr aus der Reliquienkammer stahlt und austranket, Euch zu den Freveln trieb, die Ihr beginget?« – »Wie ein von giftigen Dünsten geschwängertes Wasser gab er Kraft dem bösen Keim, der in mir ruhte, daß er fortzuwuchern vermochte!« – Als ich dies erwidert, schwieg der Papst einige Augenblicke, dann fuhr er mit ernstem, in sich gekehrtem Blick fort: »Wie, wenn die Natur die Regel des körperlichen Organism auch im geistigen befolgte, daß gleicher Keim nur Gleiches zu gebären vermag? – Wenn Neigung und Wollen – wie die Kraft, die im Kern verschlossen, des hervorschießenden Baumes Blätter wieder grün färbt – sich fortpflanzte von Vätern zu Vätern, alle Willkür aufhebend? ... Es gibt Familien von Mördern, von Räubern! ... Das wäre die Erbsünde, des frevelhaften Geschlechts ewiger, durch kein Sühnopfer vertilgbarer Fluch!« – »Muß der vom Sünder Geborne wieder sündigen vermöge des vererbten Organism, dann gibt es keine Sünde«, so unterbrach ich den Papst. »Doch!« sprach er. »Der ewige Geist schuf einen

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