Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 160)
bist du vielleicht Prior, und später könnt' ich dich wohl gar zu meinem Beichtvater erwählen ... Gehe ... gebärde dich weniger närrisch in den Kirchen, zum Heiligen schwingst du dich nun einmal nicht hinauf – der Kalender ist vollzählig. Gehe.« – Des Papstes letzte Worte verwunderten mich ebenso wie sein ganzes Betragen überhaupt, das ganz dem Bilde widersprach, wie es sonst von dem Höchsten der christlichen Gemeinde, dem die Macht gegeben, zu binden und zu lösen, in meinem Innern aufgegangen war. Es war mir nicht zweifelhaft, daß er alles, was ich von der hohen Göttlichkeit seines Berufs gesprochen, für eine leere, listige Schmeichelei gehalten hatte. Er ging von der Idee aus, daß ich mich hatte zum Heiligen aufschwingen wollen und daß ich, da er mir aus besonderen Gründen den Weg dazu versperren mußte, nun gesonnen war, mir auf andere Weise Ansehen und Einfluß zu verschaffen. Auf dieses wollte er wieder aus besonderen mir unbekannten Gründen eingehen.
Ich beschloß – ohne daran zu denken, daß ich ja, ehe der Papst mich rufen ließ, Rom hatte verlassen wollen –, meine Andachtsübungen fortzusetzen. Doch nur zu sehr im Innern fühlte ich mich bewegt, um wie sonst mein Gemüt ganz dem Himmlischen zuwenden zu können. Unwillkürlich dachte ich selbst im Gebet an mein früheres Leben; erblaßt war das Bild meiner Sünden, und nur das Glänzende der Laufbahn, die ich als Liebling eines Fürsten begonnen, als Beichtiger des Papstes fortsetzen und, wer weiß, auf welcher Höhe enden werde, stand grell leuchtend vor meines Geistes Augen. So kam es, daß ich, nicht weil es der Papst verboten, sondern unwillkürlich, meine Andachtsübungen einstellte und statt dessen in den Straßen von Rom umherschlenderte. Als ich eines Tages über den spanischen Platz ging, war ein Haufen Volks um den Kasten eines Puppenspielers versammelt. Ich vernahm Pulcinells komisches Gequäke und das wiehernde Gelächter der Menge. Der erste Akt war geendet, man bereitete sich auf den zweiten vor. Die kleine Decke flog auf, der junge David erschien mit seiner Schleuder und dem Sack voll Kieselsteinen. Unter possierlichen Bewegungen versprach er, daß nunmehr der ungeschlachte Riese Goliath ganz gewiß erschlagen und Israel errettet werden solle. Es ließ sich ein dumpfes Rauschen und Brummen hören. Der Riese Goliath stieg empor mit einem ungeheuren Kopfe. – Wie erstaunte ich, als ich auf den ersten Blick in dem Goliathskopf den närrischen Belcampo erkannte. Dicht unter dem Kopf hatte er mittels einer besondern Vorrichtung einen kleinen Körper mit Ärmchen und Beinchen angebracht, seine eigenen Schultern und Arme aber durch eine Draperie versteckt, die wie Goliaths breit gefalteter Mantel anzusehen war. Goliath hielt mit den seltsamsten Grimassen und groteskem Schütteln des Zwergleibes eine stolze Rede, die David nur zuweilen durch ein feines Kichern unterbrach. Das Volk lachte unmäßig, und ich selbst, wunderlich angesprochen von der neuen fabelhaften Erscheinung Belcampos, ließ mich fortreißen und brach aus in das längst ungewohnte Lachen der innern kindischen Lust. – Ach, wie oft war sonst mein Lachen nur der konvulsivische Krampf der innern herzzerreißenden Qual. Dem Kampf mit dem Riesen ging eine lange