Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 168)

und bald erkannte ich mich als das im Äther schwimmende Rot. Ich schwang mich auf zu den leuchtenden Bergspitzen – ich wollte einziehn durch das Tor goldener Morgenwolken in die heimatliche Burg, aber Blitze durchkreuzten, gleich im Feuer auflodernden Schlangen, das Gewölbe des Himmels, und ich sank herab, ein feuchter, farbloser Nebel. »Ichich«, sprach der Gedanke, »ich bin es, der Eure Blumen – Euer Blut färbt – Blumen und Blut sind Euer Hochzeitsschmuck, den ich bereite!« – Sowie ich tiefer und tiefer niederfiel, erblickte ich die Leiche mit weit aufklaffender Wunde in der Brust, aus der jenes unreine Wasser in Strömen floß. Mein Hauch sollte das Wasser umwandeln in Blut, doch geschah es nicht, die Leiche richtete sich auf und starrte mich an mit hohlen gräßlichen Augen und heulte wie der Nordwind in tiefer Kluft: »Verblendeter, törichter Gedanke, kein Kampf zwischen Licht und Feuer, aber das Licht ist die Feuertaufe durch das Rot, das du zu vergiften trachtest.« – Die Leiche sank nieder; alle Blumen auf der Flur neigten verwelkt ihre Häupter; Menschen, bleichen Gespenstern ähnlich, warfen sich zur Erde, und ein tausend stimmiger trostloser Jammer stieg in die Lüfte: »O Herr, Herr! Ist so unermeßlich die Last unsrer Sünde, daß du Macht gibst dem Feinde, unseres Blutes Sühnopfer zu ertöten?« Stärker und stärker, wie des Meeres brausende Welle, schwoll die Klage! – Der Gedanke wollte zerstäuben in dem gewaltigen Ton des trostlosen Jammers, da wurde ich wie durch einen elektrischen Schlag emporgerissen aus dem Traum. Die Turmglocke des Klosters schlug zwölfe, ein blendendes Licht fiel aus den Fenstern der Kirche in meine Zelle. »Die Toten richten sich auf aus den Gräbern und halten Gottesdienst.« So sprach es in meinem Innern, und ich begann zu beten.

Da vernahm ich ein leises Klopfen. Ich glaubte, irgendein Mönch wolle zu mir herein, aber mit tiefem Entsetzen hörte ich bald jenes grauenvolle Kichern und Lachen meines gespenstischen Doppeltgängers, und es rief neckend und höhnend: – »Brüderchen ... Brüderchen ... Nun bin ich wieder bei dir ... die Wunde blutet ... die Wunde blutet ... rot ... rot ... Komm mit mir, Brüderchen Medardus! Komm mit mir!« – Ich wollte aufspringen vom Lager, aber das Grausen hatte seine Eisdecke über mich geworfen, und jede Bewegung, die ich versuchte, wurde zum innern Krampf, der die Muskeln zerschnitt. Nur der Gedanke blieb und war inbrünstiges Gebet: daß ich errettet werden möge von den dunklen Mächten, die aus der offenen Höllenpforte auf mich eindrangen. Es geschah, daß ich mein Gebet, nur im Innern gedacht, laut und vernehmlich hörte, wie es Herr wurde über das Klopfen und Kichern und unheimliche Geschwätz des furchtbaren Doppeltgängers, aber zuletzt sich verlor in ein seltsames Summen, wie wenn der Südwind Schwärme feindlicher Insekten geweckt hat, die giftige Saugrüssel ansetzen an die blühende Saat. Zu jener trostlosen Klage der Menschen wurde das Summen, und meine Seele frug: »Ist das nicht der weissagende Traum, der sich auf deine blutende Wunde heilend und tröstend legen will? – In dem Augenblick brach der Purpurschimmer des

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