Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 170)
wiedersehen! – vielleicht in voller Anmut und Schönheit prangend! – Konnt' ich das ertragen, ohne übermannt zu werden von dem Geist des Bösen, der wohl noch mit den Flammen der Hölle mein Blut aufkochte, daß es zischend und gärend durch die Adern strömte. – Wie oft erschien mir Aureliens Gestalt, aber wie oft regten sich dabei Gefühle in meinem Innersten, deren Sündhaftigkeit ich erkannte und mit aller Kraft des Willens vernichtete. Nur in dem Bewußtsein alles dessen, woraus die hellste Aufmerksamkeit auf mich selbst hervorging, und dem Gefühl meiner Ohnmacht, die mich den Kampf vermeiden hieß, glaubte ich die Wahrhaftigkeit meiner Buße zu erkennen, und tröstend war die Überzeugung, daß wenigstens der höllische Geist des Stolzes, die Vermessenheit, es aufzunehmen mit den dunklen Mächten, mich verlassen haben.
Bald war ich im Gebirge, und eines Morgens tauchte aus dem Nebel des vor mir liegenden Tals ein Schloß auf, das ich, näher schreitend, wohl erkannte. Ich war auf dem Gute des Barons von F. Die Anlagen des Parks waren verwildert, die Gänge verwachsen und mit Unkraut bedeckt; auf dem sonst so schönen Rasenplatz vor dem Schlosse weidete in dem hohen Grase Vieh – die Fenster des Schlosses hin und wieder zerbrochen – der Aufgang verfallen. – Keine menschliche Seele ließ sich blicken. – Stumm und starr stand ich da in grauenvoller Einsamkeit. Ein leises Stöhnen drang aus einem noch ziemlich erhaltenen Boskett, und ich wurde einen alten, eisgrauen Mann gewahr, der in dem Boskett saß und mich, unerachtet ich ihm nahe genug war, nicht wahrzunehmen schien. Als ich mich noch mehr näherte, vernahm ich die Worte: »Tot – tot sind sie alle, die ich liebte! – Ach, Aurelie! Aurelie – auch du! – die letzte! – tot – tot für diese Welt!« Ich erkannte den alten Reinhold – eingewurzelt blieb ich stehen. – »Aurelie tot? Nein, nein, du irrst, Alter, die hat die ewige Macht beschützt vor dem Messer des freveligen Mörders.« – So sprach ich, da fuhr der Alte, wie vom Blitz getroffen, zusammen und rief laut: »Wer ist hier? – wer ist hier? Leopold! – Leopold!« – Ein Knabe sprang herbei; als er mich erblickte, neigte er sich tief und grüßte: »Laudetur Jesus Christus!« – »Per omnia saecula saeculorum«, erwiderte ich. Da raffte der Alte sich auf und rief noch stärker: »Wer ist hier? – wer ist hier?« – Nun sah ich, daß der Alte blind war. – »Ein ehrwürdiger Herr«, sprach der Knabe, »ein Geistlicher vom Orden der Kapuziner ist hier.« Da war es, als erfasse den Alten tiefes Grauen und Entsetzen, und er schrie: »Fort – fort – Knabe, führe mich fort – hinein – hinein – verschließ die Türen – Peter soll Wache halten – fort, fort, hinein!« Der Alte nahm alle Kraft zusammen, die ihm geblieben, um vor mir zu fliehen wie vor dem reißenden Tier. Verwundert, erschrocken sah mich der Knabe an, doch der Alte, statt sich von ihm führen zu lassen, riß ihn fort, und bald waren sie durch die Türe verschwunden, die, wie ich