Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 171)

hörte, fest verschlossen wurde. –

Schnell floh ich fort von dem Schauplatz meiner höchsten Frevel, die bei diesem Auftritt lebendiger als jemals vor mir sich wiedergestalteten, und bald befand ich mich in dem tiefsten Dickicht. Ermüdet setzte ich mich an den Fuß eines Baumes in das Moos nieder; unweit davon war ein kleiner Hügel aufgeschüttet, auf welchem ein Kreuz stand. Als ich aus dem Schlaf, in den ich vor Ermattung gesunken, erwachte, saß ein alter Bauer neben mir, der alsbald, da er mich ermuntert sah, ehrerbietig seine Mütze abzog und im Ton der vollsten, ehrlichsten Gutmütigkeit sprach: »Ei, Ihr seid wohl weit hergewandert, ehrwürdiger Herr, und recht müde geworden, denn sonst wäret Ihr hier an dem schauerlichen Plätzchen nicht in solch tiefen Schlaf gesunken. Oder Ihr wisset vielleicht gar nicht, was es mit diesem Orte hier für eine Bewandtnis hat?« – Ich versicherte, daß ich als fremder, von Italien hereinwandernder Pilger durchaus nicht von dem, was hier vorgefallen, unterrichtet sei. »Es geht«, sprach der Bauer, »Euch und Euere Ordensbrüder ganz besonders an, und ich muß gestehen, als ich Euch so sanft schlafend fand, setzte ich mich her, um jede etwaige Gefahr von Euch abzuwenden. Vor mehreren Jahren soll hier ein Kapuziner ermordet worden sein. So viel ist gewiß, daß ein Kapuziner zu der Zeit durch unser Dorf kam, und nachdem er übernachtet, dem Gebirge zuwanderte. An demselben Tage ging mein Nachbar den tiefen Talweg unterhalb des Teufelsgrundes hinab und hörte mit einemmal ein fernes durchdringendes Geschrei, welches ganz absonderlich in den Lüften verklang. Er will sogar, was mir aber unmöglich scheint, eine Gestalt von der Bergspitze herab in den Abgrund stürzen gesehen haben. So viel ist gewiß, daß wir alle im Dorfe, ohne zu wissen, warum, glaubten, der Kapuziner könne wohl herabgestürzt sein, und daß mehrere von uns hingingen und, soweit es nur möglich war, ohne das Leben aufs Spiel zu setzen, hinabstiegen, um wenigstens die Leiche des unglücklichen Menschen zu finden. Wir konnten aber nichts entdecken und lachten den Nachbar tüchtig aus, als er einmal, in der mondhellen Nacht auf dem Talwege heimkehrend, ganz voll Todesschrecken einen nackten Menschen aus dem Teufelsgrunde wollte emporsteigen gesehen haben. Das war nun pure Einbildung; aber später erfuhr man denn wohl, daß der Kapuziner, Gott weiß warum, hier von einem vornehmen Mann ermordet und der Leichnam in den Teufelsgrund geschleudert worden sei. Hier auf diesem Fleck muß der Mord geschehen sein, davon bin ich überzeugt, denn seht einmal, ehrwürdiger Herr, hier sitze ich einst und schaue so in Gedanken da den hohlen Baum neben uns an. Mit einemmal ist es mir, als hinge ein Stück dunkelbraunes Tuch zur Spalte heraus. Ich springe auf, ich gehe hin und ziehe einen ganz neuen Kapuzinerhabit heraus. An dem einen Ärmel klebte etwas Blut, und in einem Zipfel war der Name Medardus hineingezeichnet. Ich dachte, arm wie ich bin, ein gutes Werk zu tun, wenn ich den Habit verkaufe und für das daraus gelöste Geld dem armen ehrwürdigen Herrn, der hier ermordet, ohne sich zum Tode vorzubereiten und

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