Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 177)
Zusammenhangs der Sache verteidigten, bemerkten, daß man ja von den Schicksalen des aus dem Teufelsgrunde erretteten Medardus gar nichts wisse; es sei ja möglich, daß sein Wahnsinn erst ausgebrochen, als er auf der Pilgerreise in der Gegend der Försterwohnung sich befand. Was aber das Zugeständnis der Verbrechen, deren er beschuldigt, belange, so sei eben daraus abzunehmen, daß er niemals geheilt gewesen, sondern anscheinend bei Verstande, doch immer wahnsinnig geblieben wäre. Daß er die ihm angeschuldigten Mordtaten wirklich begangen, dieser Gedanke habe sich zur fixen Idee umgestaltet. – Der Kriminalrichter, auf dessen Scharfsinn man sehr baute, sprach, als man ihn um seine Meinung frug: ›Der vorgebliche Herr von Krczynski war kein Pole und auch kein Graf, der Graf Viktorin gewiß nicht, aber unschuldig auch keineswegs – der Mönch blieb wahnsinnig und unzurechnungsfähig in jedem Fall, deshalb das Kriminalgericht auch nur auf seine Einsperrung als Sicherheitsmaßregel erkennen konnte.‹ – Dieses Urteil durfte der Fürst nicht hören, denn er war es allein, der, tief ergriffen von den Freveln auf dem Schlosse des Barons, jene von dem Kriminalgericht in Vorschlag gebrachte Einsperrung in die Strafe des Schwerts umwandelte. – Wie aber alles in diesem elenden, vergänglichen Leben, sei es Begebenheit oder Tat, noch so ungeheuer im ersten Augenblick erscheinend, sehr bald Glanz und Farbe verliert, so geschah es auch, daß das, was in der Residenz und vorzüglich am Hofe Schauer und Entsetzen erregt hatte, herabsank bis zur ärgerlichen Klatscherei. Jene Hypothese, daß Aureliens entflohener Bräutigam Graf Viktorin gewesen, brachte die Geschichte der Italienerin in frisches Andenken, selbst die früher nicht Unterrichteten wurden von denen, die nun nicht mehr schweigen zu dürfen glaubten, aufgeklärt, und jeder, der den Medardus gesehen, fand es natürlich, daß seine Gesichtszüge vollkommen denen des Grafen Viktorin glichen, da sie Söhne eines Vaters waren. Der Leibarzt war überzeugt, daß die Sache sich so verhalten mußte, und sprach zum Fürsten: ›Wir wollen froh sein, gnädigster Herr, daß beide unheimliche Gesellen fort sind, und es bei der ersten vergeblich gebliebenen Verfolgung bewenden lassen.‹ – Dieser Meinung trat der Fürst aus dem Grunde seines Herzens bei, denn er fühlte wohl, wie der doppelte Medardus ihn von einem Mißgriff zum andern verleitet hatte. ›Die Sache wird geheimnisvoll bleiben‹, sagte der Fürst, ›wir wollen nicht mehr an dem Schleier zupfen, den ein wunderbares Geschick wohltätig darüber geworfen hat.‹ – Nur Aurelie ...« – »Aurelie«, unterbrach ich den Prior mit Heftigkeit, »um Gott, mein ehrwürdiger Vater, sagt mir, wie ward es mit Aurelien?« – »Ei, Bruder Medardus«, sprach der Prior sanft lächelnd, »noch ist das gefährliche Feuer in deinem Innern nicht verdampft? – noch lodert die Flamme empor bei leiser Berührung? – So bist du noch nicht frei von den sündlichen Trieben, denen du dich hingabst. – Und ich soll der Wahrheit deiner Buße trauen; ich soll überzeugt sein, daß der Geist der Lüge dich ganz verlassen? – Wisse, Medardus, daß ich deine Reue für wahrhaft nur dann anerkennen würde, wenn du jene Frevel, deren du dich anklagst, wirklich begingst. Denn nur in diesem Fall könnt' ich