Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 36)

zu sagen haben.

WERNER. Das haben dergleichen Herren den Offizieren selten. – Haben Ihro Gnaden etwas zu befehlen? (Im Begriffe wieder zu gehen.)

FRANZISKA. Nun, wo denn schon wieder hin, Herr Wachtmeister? Hätten wir denn nichts miteinander zu plaudern?

Werner (sachte zur Franziska und ernsthaft). Hier nicht, Frauenzimmerchen. Es ist wider den Respekt, wider die Subordination. – Gnädiges Fräulein –

DAS FRÄULEIN. Ich danke für Seine Bemühung, Herr Wachtmeister. – Es ist mir lieb gewesen, Ihn kennenzulernen. Franziska hat mir viel Gutes von Ihm gesagt. (Werner macht eine steife Verbeugung und geht ab.)

Fünfter Auftritt

Das Fräulein. Franziska.

DAS FRÄULEIN. Das ist dein Wachtmeister, Franziska?

FRANZISKA. Wegen des spöttischen Tones habe ich nicht Zeit, dieses dein nochmals aufzumutzen. – – Ja, gnädiges Fräulein, das ist mein Wachtmeister. Sie finden ihn ohne Zweifel ein wenig steif und hölzern. Jetzt kam er mir fast auch so vor. Aber ich merke wohl, er glaubte, vor Ihro Gnaden auf die Parade ziehen zu müssen. Und wenn die Soldaten paradieren – ja freilich scheinen sie da mehr Drechslerpuppen als Männer. Sie sollten ihn hingegen nur sehn und hören, wenn er sich selbst gelassen ist.

DAS FRÄULEIN. Das müßte ich denn wohl!

FRANZISKA. Er wird noch auf dem Saale sein. Darf ich nicht gehn und ein wenig mit ihm plaudern?

DAS FRÄULEIN. Ich versage dir ungern dieses Vergnügen. Du mußt hierbleiben Franziska. Du mußt bei unserer Unterredung gegenwärtig sein! – Es fällt mir noch etwas bei. (Sie zieht ihren Ring vom Finger.) Da, nimm meinen Ring, verwahre ihn, und gib mir des Majors seinen dafür.

FRANZISKA. Warum das?

Das Fräulein (indem Franziska den andern Ring holt). Recht weiß ich es selbst nicht, aber mich dünkt, ich sehe so etwas voraus, wo ich ihn brauchen könnte. – Man pocht – Geschwind, gib her! (Sie steckt ihn an.) Er ist's!

Sechster Auftritt

v. Tellheim. in dem nämlichen Kleide, aber sonst so, wie es Franziska verlangt. Das Fräulein. Franziska.

V. TELLHEIM. Gnädiges Fräulein, Sie werden mein Verweilen entschuldigen –

DAS FRÄULEIN. Oh, Herr Major so gar militärisch wollen wir es miteinander nicht nehmen. Sie sind ja da! Und ein Vergnügen erwarten, ist auch ein Vergnügen. – Nun? (indem sie ihm lächelnd ins Gesicht sieht) lieber Tellheim, waren wir nicht vorhin Kinder?

V. TELLHEIM. Jawohl, Kinder, gnädiges Fräulein; Kinder, die sich sperren, wo sie gelassen folgen sollten.

DAS FRÄULEIN. Wir wollen ausfahren, lieber Major – die Stadt ein wenig zu besehen –, und hernach meinem Oheim entgegen.

V. TELLHEIM. Wie?

DAS FRÄULEIN. Sehen Sie, auch das Wichtigste haben wir einander noch nicht sagen können. Ja, er trifft noch heut hier ein. Ein Zufall ist schuld, daß ich einen Tag früher ohne ihn angekommen bin.

V. TELLHEIM. Der Graf von Bruchsall? Ist er zurück?

DAS FRÄULEIN. Die Unruhen des Krieges verscheuchten ihn nach Italien; der Friede hat ihn wieder zurückgebracht. – Machen Sie sich keine Gedanken, Tellheim. Besorgten wir schon ehemals das stärkste Hindernis unsrer Verbindung von seiner Seite –

V. TELLHEIM. Unserer Verbindung?

DAS FRÄULEIN. Er ist Ihr Freund. Er hat von zu vielen zu viel Gutes von Ihnen gehört, um es nicht zu sein. Er brennet, den Mann von Antlitz

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