Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 34)

êtes charmante! –

DAS FRÄULEIN. Hier habe ich, was ich ohnlängst gewonnen, nur zehn Pistolen – ich muß mich zwar schämen, so wenig –

RICCAUT. Donnez toujours, Mademoiselle, donnez. (Nimmt es.)

DAS FRÄULEIN. Ohne Zweifel, daß Ihre Bank, mein Herr, sehr ansehnlich ist –

RICCAUT. Jawohl, sehr ansehnlik. Sehn Pistol? Ihr Gnad soll sein dafür interessir bei meiner Bank auf ein Dreiteil, pour le tiers. Swar auf ein Dreiteil sollen sein – etwas mehr. Dok mit einer schöne Damen muß man es nehmen nit so genau. Ik gratulir mik, su kommen dadurk in liaison mit Ihro Gnad, et de ce moment je recommence à bien augurer de ma fortune.

DAS FRÄULEIN. Ich kann aber nicht dabei sein, wenn Sie spielen, mein Herr.

RICCAUT. Was brauk Ihro Gnad dabei su sein? Wir andern Spieler sind ehrlike Leut untereinander.

DAS FRÄULEIN. Wenn wir glücklich sind, mein Herr, so werden Sie mir meinen Anteil schon bringen. Sind wir aber unglücklich –

RICCAUT. So komm ik holen Rekruten. Nit wahr, Ihro Gnad?

DAS FRÄULEIN. Auf die Länge dürften die Rekruten fehlen. Verteidigen Sie unser Geld daher ja wohl, mein Herr.

RICCAUT. Wofür seh mik Ihro Gnad an? Für ein Einfalspinse? für ein dumme Teuf?

DAS FRÄULEIN. Verzeihen Sie mir –

RICCAUT. Je suis des bons, Mademoiselle. Savez-vous ce que cela veut dire? Ik bin von die Ausgelernt –

DAS FRÄULEIN. Aber doch wohl, mein Herr –

RICCAUT. Je sais monter un coup –

Das Fräulein (verwundernd). Sollten Sie?

RICCAUT. Je file la carte avec une adresse –

DAS FRÄULEIN. Nimmermehr!

RICCAUT. Je fais sauter la coupe avec une dextérité –

DAS FRÄULEIN. Sie werden doch nicht mein Herr? –

RICCAUT. Was nit? Ihro Gnade, was nit? Donnez-moi un pigeonneau à plumer, et –

DAS FRÄULEIN. Falsch spielen? betrügen?

RICCAUT. Comment, Mademoiselle? Vous appellez cela betrügen? Corriger la fortune, l'enchaîner sous ses doigts, être sûr de son fait, das nenn die Deutsch betrügen? Betrügen! Oh, was ist die deutsch Sprak für ein arm Sprak! für ein plump Sprak!

DAS FRÄULEIN. Nein, mein Herr, wenn Sie so denken –

RICCAUT. Laissez-moi faire, Mademoiselle und sein Sie ruhik! Was gehn Sie an, wie ik spiel? – Gnug, morgen entweder sehn mik wieder Ihro Gnad mit hundert Pistol, oder seh mik wieder gar nit – Votre très-humble, Mademoiselle, votre très-humble – (Eilends ab.)

Das Fräulein (die ihm mit Erstaunen und Verdruß nachsieht). Ich wünsche das letzte, mein Herr, das letzte!

Dritter Auftritt

Das Fräulein. Franziska.

Franziska (erbittert). Kann ich noch reden? O schön! o schön!

DAS FRÄULEIN. Spotte nur; ich verdiene es. (Nach einem kleinen Nachdenken und gelassener.) Spotte nicht, Franziska; ich verdiene es nicht.

FRANZISKA. Vortrefflich! Da haben Sie etwas Allerliebstes getan, einen Spitzbuben wieder auf die Beine geholfen.

DAS FRÄULEIN. Es war einem Unglücklichen zugedacht.

FRANZISKA. Und was das beste dabei ist: der Kerl hält Sie für seinesgleichen. – Oh, ich muß ihm nach und ihm das Geld wieder abnehmen. (Will fort.)

DAS FRÄULEIN. Franziska, laß den Kaffee nicht vollends kalt werden, schenk ein.

FRANZISKA. Er muß es Ihnen wiedergeben; Sie haben sich anders besonnen; Sie wollen mit ihm nicht in Gesellschaft spielen. Zehn Pistolen! Sie hörten ja, Fräulein, daß es ein Bettler war! (Das Fräulein schenkt indes

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