Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 41)

schämet, sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zu verdanken, dessen blinde Zärtlichkeit –

DAS FRÄULEIN. Und das ist Ihr Ernst, Herr Major? – (Indem sie ihm plötzlich den Rücken wendet.) Franziska!

V. TELLHEIM. Werden Sie nicht ungehalten, mein Fräulein –

Das Fräulein (beiseite zur Franziska). Jetzt wäre es Zeit! Was rätst du mir, Franziska? –

FRANZISKA. Ich rate nichts. Aber freilich macht er es Ihnen ein wenig zu bunt. –

V. TELLHEIM (der sie zu unterbrechen kömmt). Sie sind ungehalten, mein Fräulein –

Das Fräulein (höhnisch). Ich? im geringsten nicht.

V. TELLHEIM. Wenn ich Sie weniger liebte, mein Fräulein –

Das Fräulein (noch in diesem Tone). O gewiß, es wäre mein Unglück! – Und sehen Sie, Herr Major, ich will Ihr Unglück auch nicht. – Man muß ganz uneigennützig lieben. – Ebensogut, daß ich nicht offenherziger gewesen bin! Vielleicht würde mir Ihr Mitleid gewähret haben, was mir Ihre Liebe versagt. – (Indem sie den Ring langsam vom Finger zieht.)

V. TELLHEIM. Was meinen Sie damit, Fräulein?

DAS FRÄULEIN. Nein, keines muß das andere weder glücklicher noch unglücklicher machen. So will es die wahre Liebe! Ich glaube Ihnen, Herr Major; und Sie haben zuviel Ehre, als daß Sie die Liebe verkennen sollten.

V. TELLHEIM. Spotten Sie, mein Fräulein?

DAS FRÄULEIN. Hier! Nehmen Sie den Ring wieder zurück, mit dem Sie mir Ihre Treue verpflichtet. (Überreicht ihm den Ring.) Es sei drum! Wir wollen einander nicht gekannt haben!

V. TELLHEIM. Was höre ich?

DAS FRÄULEIN. Und das befremdet Sie? – Nehmen Sie, mein Herr. – Sie haben sich doch wohl nicht bloß gezieret?

V. TELLHEIM (indem er den Ring aus ihrer Hand nimmt). Gott! So kann Minna sprechen! –

DAS FRÄULEIN. Sie können der Meinige in einem Falle nicht sein: ich kann die Ihrige in keinem sein. Ihr Unglück ist wahrscheinlich; meines ist gewiß. – Leben Sie wohl! (Will fort.)

V. TELLHEIM. Wohin, liebste Minna?

DAS FRÄULEIN. Mein Herr, Sie beschimpfen mich jetzt mit dieser vertraulichen Benennung.

V. TELLHEIM. Was ist Ihnen, mein Fräulein? Wohin?

DAS FRÄULEIN. Lassen Sie mich. – Meine Tränen vor Ihnen zu verbergen, Verräter! (Geht ab.)

Siebenter Auftritt

v. Tellheim. Franziska.

V. TELLHEIM. Ihre Tränen? Und ich sollte sie lassen? (Will ihr nach.)

Franziska (die ihn zurückhält). Nicht doch, Herr Major! Sie werden ihr ja nicht in ihr Schlafzimmer folgen wollen?

V. TELLHEIM. Ihr Unglück? Sprach sie nicht von Unglück?

FRANZISKA. Nun freilich, das Unglück, Sie zu verlieren, nachdem –

V. TELLHEIM. Nachdem? was nachdem? Hierhinter steckt mehr. Was ist es, Franziska? Rede sprich –

FRANZISKA. Nachdem sie, wollte ich sagen – Ihnen so vieles aufgeopfert.

V. TELLHEIM. Mir aufgeopfert?

FRANZISKA. Hören Sie nur kurz. – Es ist für Sie recht gut, Herr Major, daß Sie auf diese Art von ihr losgekommen sind. – Warum soll ich es Ihnen nicht sagen? Es kann doch länger kein Geheimnis bleiben. – Wir sind entflohen! – Der Graf von Bruchsall hat das Fräulein enterbt, weil sie keinen Mann von seiner Hand annehmen wollte. Alles verließ, alles verachtete sie hierauf. Was sollten wir tun? Wir entschlossen uns denjenigen aufzusuchen, dem wir –

V. TELLHEIM. Ich habe genug! – Komm, ich muß mich zu ihren Füßen werfen.

FRANZISKA. Was denken Sie? Gehen Sie vielmehr

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