Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 42)

und danken Ihrem guten Geschicke –

V. TELLHEIM. Elende! für wen hältst du mich? – Nein, liebe Franziska, der Rat kam nicht aus deinem Herzen. Vergib meinem Unwillen!

FRANZISKA. Halten Sie mich nicht länger auf. Ich muß sehen, was sie macht. Wie leicht könnte ihr etwas zugestoßen sein. – Gehen Sie! Kommen Sie lieber wieder, wenn Sie wiederkommen wollen. (Geht dem Fräulein nach.)

Achter Auftritt

v. Tellheim.

Aber, Franziska! – Oh, ich erwarte euch hier! – Nein, das ist dringender! – Wenn sie Ernst sieht, kann mir ihre Vergebung nicht entstehen. – Nun brauch ich dich, ehrlicher Werner! – Nein, Minna, ich bin kein Verräter! (Eilends ab.)

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

Die Szene: Der Saal

v. Tellheim. von der einen und Werner von der andern Seite.

V. TELLHEIM. Ha, Werner! ich suche dich überall. Wo steckst du?

WERNER. Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so geht's mit dem Suchen. – Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht.

V. TELLHEIM. Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten: ich brauche dein Geld. Geschwind, Werner, gib mir, soviel du hast; und denn suche so viel aufzubringen, als du kannst.

WERNER. Herr Major? – Nun, bei meiner armen Seele, habe ich's doch gesagt: er wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.

V. TELLHEIM. Du suchst doch nicht Ausflüchte?

WERNER. Damit ich ihm nichts vorzuwerfen habe, so nimmt er mir's mit der Rechten und gibt mir's mit der Linken wieder.

V. TELLHEIM. Halte mich nicht auf Wemer! – Ich habe den guten Willen, dir es wiederzugeben, aber wenn und wie? – Das weiß Gott!

WERNER. Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaatskasse Ordre hat, Ihnen Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bei –

V. TELLHEIM. Was plauderst du? Was lässest du dir weismachen? Begreifst du denn nicht, daß, wenn es wahr wäre, ich es doch wohl am ersten wissen müßte? – Kurz, Werner, Geld! Geld!

WERNER. Je nu, mit Freuden! hier ist was! – Das sind die hundert Louisdor und das die hundert Dukaten. – (Gibt ihm beides.)

V. TELLHEIM. Die hundert Louisdor, Werner, geh und bringe Justen. Er soll sogleich den Ring wieder einlösen, den er heute früh versetzt hat. – Aber wo wirst du mehr hernehmen, Werner? – Ich brauche weit mehr.

WERNER. Dafür lassen Sie mich sorgen. – Der Mann, der mein Gut gekauft hat, wohnt in der Stadt. Der Zahlungstermin wäre zwar erst in vierzehn Tagen, aber das Geld liegt parat, und ein halb Prozentchen Abzug –

V. TELLHEIM. Nun ja, lieber Werner! – Siehst du, daß ich meine einzige Zuflucht zu dir nehme? – Ich muß dir auch alles vertrauen. Das Fräulein hier – du hast sie gesehn – ist unglücklich –

WERNER. O Jammer!

V. TELLHEIM. Aber morgen ist sie meine Frau –

WERNER. O Freude!

V. TELLHEIM. Und übermorgen geh ich mit ihr fort. Ich darf fort, ich will fort. Lieber hier alles im Stiche gelassen! Wer weiß, wo mir sonst ein Glück aufgehoben ist. Wenn du willst, Werner, so komm mit. Wir wollen wieder Dienste nehmen.

WERNER. Wahrhaftig? – Aber doch wo's Krieg gibt, Herr Major?

V. TELLHEIM. Wo

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