Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 43)

sonst? – Geh, lieber Werner, wir sprechen davon weiter.

WERNER. O Herzensmajor! – Übermorgen? Warum nicht lieber morgen? – Ich will schon alles zusammenbringen – In Persien, Herr Major, gibt's einen trefflichen Krieg; was meinen Sie?

V. TELLHEIM. Wir wollen das überlegen; geh nur, Werner! –

WERNER. Juchhe! es lebe der Prinz Heraklius! (Geht ab.)

Zweiter Auftritt

v. Tellheim.

Wie ist mir? – Meine ganze Seele hat neue Triebfedern bekommen. Mein eignes Unglück schlug mich nieder, machte mich ärgerlich, kurzsichtig, schüchtern, lässig: ihr Unglück hebt mich empor, ich sehe wieder frei um mich und fühle mich willig und stark, alles für sie zu unternehmen – Was verweile ich? (Will nach dem Zimmer des Fräuleins, aus dem ihm Franziska entgegenkömmt.)

Dritter Auftritt

Franziska. v. Tellheim.

FRANZISKA. Sind Sie es doch? – Es war mir, als ob ich Ihre Stimme hörte. – Was wollen Sie, Herr Major?

V. TELLHEIM. Was ich will? – Was macht dein Fräulein? – Komm! –

FRANZISKA. Sie will den Augenblick ausfahren.

V. TELLHEIM. Und allein? ohne mich? wohin?

FRANZISKA. Haben Sie vergessen, Herr Major? –

V. TELLHEIM. Bist du nicht klug, Franziska? – Ich habe sie gereizt, und sie ward empfindlich: ich werde sie um Vergebung bitten, und sie wird mir vergeben.

FRANZISKA. Wie? – Nachdem Sie den Ring zurückgenommen, Herr Major?

V. TELLHEIM. Ha! – Das tat ich in der Betäubung. – Jetzt denk ich erst wieder an den Ring. – Wo habe ich ihn hingesteckt? – (Er sucht ihn.) Hier ist er.

FRANZISKA. Ist er das? (Indem er ihn wieder einsteckt, beiseite.) Wenn er ihn doch genauer besehen wollte!

V. TELLHEIM. Sie drang mir ihn auf mit einer Bitterkeit – Ich habe diese Bitterkeit schon vergessen. Ein volles Herz kann die Worte nicht wägen. – Aber sie wird sich auch keinen Augenblick weigern, den Ring wieder anzunehmen. – Und habe ich nicht noch ihren?

FRANZISKA. Den erwartet sie dafür zurück. – Wo haben Sie ihn denn, Herr Major? Zeigen Sie mir ihn doch.

V. TELLHEIM (etwas verlegen). Ich habe – ihn anzustecken vergessen. – Just – Just wird mir ihn gleich nachbringen.

FRANZISKA. Es ist wohl einer ziemlich wie der andere, lassen Sie mich doch diesen sehen; ich sehe so was gar zu gern.

V. TELLHEIM. Ein andermal, Franziska. Jetzt komm –

Franziska (beiseite). Er will sich durchaus nicht aus seinem Irrtume bringen lassen.

V. TELLHEIM. Was sagst du? Irrtume?

FRANZISKA. Es ist ein Irrtum, sag ich, wenn Sie meinen, daß das Fräulein doch noch eine gute Partie sei. Ihr eigenes Vermögen ist gar nicht beträchtlich; durch ein wenig eigennützige Rechnungen können es ihr die Vormünder völlig zu Wasser machen. Sie erwartete alles von dem Oheim, aber dieser grausame Oheim –

V. TELLHEIM. Laß ihn doch! – Bin ich nicht Manns genug, ihr einmal alles zu ersetzen? –

FRANZISKA. Hören Sie? Sie klingelt; ich muß herein.

V. TELLHEIM. Ich gehe mit dir.

FRANZISKA. Um des Himmels willen nicht! Sie hat mir ausdrücklich verboten, mit Ihnen zu sprechen. Kommen Sie wenigstens mir erst nach. – (Geht herein.)

Vierter Auftritt

v. Tellheim ihr nachrufend.

Melde mich ihr! – Sprich für mich, Franziska! – Ich folge dir sogleich! – Was werde ich ihr sagen?

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