Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 8)

er? Wie nennt man ihn?

V. TELLHEIM. Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht ihr meinen Empfehl. – Wie heißt Eure Herrschaft? –

DER BEDIENTE. Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräulein heißen.

V. TELLHEIM. Und ihr Familienname?

DER BEDIENTE. Den habe ich noch nicht gehört, und darnach zu fragen, ist meine Sache nicht. Ich richte mich so ein, daß ich meistenteils alle sechs Wochen eine neue Herrschaft habe. Der Henker behalte alle ihre Namen! –

JUST. Bravo, Kamerad!

DER BEDIENTE. Zu dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht, glaube ich, hier ihren Bräutigam. –

V. TELLHEIM. Genug, mein Freund. Den Namen Eurer Herrschaft wollte ich wissen, aber nicht ihre Geheimnisse. Geht nur!

DER BEDIENTE. Kamerad, das wäre kein Herr für mich!

Zehnter Auftritt

v. Tellheim. Just.

V. TELLHEIM. Mache, Just, mache, daß wir aus diesem Hause kommen! Die Höflichkeit der fremden Dame ist mir empfindlicher als die Grobheit des Wirts. Hier, nimm diesen Ring, die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist, von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen! – Versetze ihn! Laß dir achtzig Friedrichsdor darauf geben; die Rechnung des Wirts kann keine dreißig betragen. Bezahle ihn und räume meine Sachen – Ja, wohin? – Wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof, der beste. Du sollst mich hier nebenan auf dem Kaffeehause treffen. Ich gehe, mache deine Sache gut. –

JUST. Sorgen Sie nicht, Herr Major! –

V. TELLHEIM (kömmt wieder zurück). Vor allen Dingen, daß meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden.

JUST. Ich will nichts vergessen.

V. TELLHEIM (kömmt nochmals zurück). Noch eins: nimm mir auch deinen Pudel mit; hörst du, Just! –

Elfter Auftritt

Just.

Der Pudel wird nicht zurückbleiben. Dafür laß ich den Pudel sorgen. – Hm! Auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn in der Tasche, anstatt am Finger? – Guter Wirt, wir sind so kahl noch nicht, als wir scheinen. Bei ihm, bei ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringelchen! Ich weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt werden! – Ah –

Zwölfter Auftritt

Paul Werner. Just.

JUST. Sieh da, Werner! guten Tag, Werner! willkommen in der Stadt!

WERNER. Das verwünschte Dorf! Ich kann's unmöglich wieder gewohne werden. Lustig, Kinder, lustig; ich bringe frisches Geld! Wo ist der Major?

JUST. Er muß dir begegnet sein; er ging eben die Treppe herab.

WERNER. Ich komme die Hintertreppe herauf. Nun wie geht's ihm? Ich wäre schon vorige Woche bei euch gewesen, aber –

JUST. Nun? was hat dich abgehalten? –

WERNER. – Just – hast du von dem Prinzen Heraklius gehört?

JUST. Heraklius? Ich wüßte nicht.

WERNER. Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht?

JUST. Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl, die ums Neujahr mit dem Sterne herumlaufen. – –

WERNER. Mensch, ich glaube, du liesest ebensowenig die Zeitungen als die Bibel? – Du kennst den Prinzen Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen und nächster Tage die Ottomanische Pforte einsprengen wird? Gott sei

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