Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 51)

ahnte mir!)

RECHA.   Ich sei

Aus christlichem Geblüte; sei getauft;

Sei Nathans Tochter nicht; er nicht mein Vater! –

Gott! Gott! Er nicht mein Vater! – Sittah! Sittah!

Sieh mich aufs neu' zu deinen Füßen ...

SITTAH. Recha!

Nicht doch! steh auf! – Mein Bruder kömmt! steh auf!

Siebenter Auftritt

Saladin und die Vorigen.

SALADIN. Was gibt's hier, Sittah?

SITTAH.  Sie ist von sich! Gott!

SALADIN. Wer ist's?

SITTAH.   Du weißt ja ...

SALADIN.    Unsers Nathans Tochter?

Was fehlt ihr?

SITTAH.   Komm doch zu dir, Kind! – Der Sultan ...

RECHA (die sich auf den Knien zu Saladins Füßen

schleppt, den Kopf zur Erde gesenkt).

Ich steh nicht auf! nicht eher auf! – mag eher

Des Sultans Antlitz nicht erblicken! – eher

Den Abglanz ewiger Gerechtigkeit

Und Güte nicht in seinen Augen, nicht

Auf seiner Stirn bewundern ...

SALADIN.   Steh ... steh auf!

RECHA. Eh' er mir nicht verspricht ...

SALADIN. Komm! ich verspreche ...

Sei was es will!

RECHA.   Nicht mehr, nicht weniger,

Als meinen Vater mir zu lassen; und

Mich ihm! – Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater

Zu sein verlangt; – verlangen kann. Will's auch

Nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut

Den Vater? nur das Blut?

SALADIN (der sie aufhebt).

   Ich merke wohl! –

Wer war so grausam denn, dir selbst – dir selbst

Dergleichen in den Kopf zu setzen? Ist

Es denn schon völlig ausgemacht? erwiesen?

RECHA. Muß wohl! Denn Daja will von meiner Amm'

Es haben.

SALADIN.   Deiner Amme!

RECHA.  Die es sterbend

Ihr zu vertrauen sich verbunden fühlte.

SALADIN. Gar sterbend! – Nicht auch faselnd schon? –Und wär's

Auch wahr! – Jawohl: das Blut, das Blut allein

Macht lange noch den Vater nicht! macht kaum

Den Vater eines Tieres! gibt zum höchsten

Das erste Recht, sich diesen Namen zu

Erwerben! – Laß dir doch nicht bange sein! –

Und weißt du was? Sobald der Väter zwei

Sich um dich streiten : – laß sie beide; nimm

Den dritten! – Nimm dann mich zu deinem Vater!

SITTAH. O tu's! o tu's!

SALADIN.  Ich will ein guter Vater,

Recht guter Vater sein! – Doch halt! mir fällt

Noch viel was Bessers bei. – Was brauchst du denn

Der Väter überhaupt? Wenn sie nun sterben?

Beizeiten sich nach einem umgesehn,

Der mit uns um die Wette leben will!

Kennst du noch keinen? ...

SITTAH.    Mach sie nicht erröten!

SALADIN. Das hab ich allerdings mir vorgesetzt.

Erröten macht die Häßlichen so schön:

Und sollte Schöne nicht noch schöner machen? –

Ich habe deinen Vater Nathan; und

Noch einen – einen noch hierher bestellt.

Errätst du ihn? – Hierher! Du wirst mir doch

Erlauben, Sittah?

SITTAH. Bruder!

SALADIN.   Daß du ja

Vor ihm recht sehr errötest, liebes Mädchen!

RECHA. Vor wem? erröten? ...

SALADIN.   Kleine Heuchlerin!

Nun, so erblasse lieber ! – Wie du willst

Und kannst! –

(Eine Sklavin tritt herein und nahet sich Sittah.)

    Sie sind doch etwa nicht schon da?

SITTAH (zur Sklavin).

Gut! laß sie nur herein. – Sie sind es, Bruder!

Letzter Auftritt

 

Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen.

 

SALADIN. Ah, meine guten lieben Freunde! – Dich,

Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen

Bedeuten, daß du nun, sobald du willst,

Dein Geld kannst wieder holen lassen! ...

NATHAN.  Sultan!...

SALADIN. Nun steh ich auch zu deinen Diensten ...

NATHAN.       Sultan!...

SALADIN. Die Karawan' ist da. Ich bin so reich

Nun wieder, als ich lange nicht gewesen. –

Komm, sag mir, was du brauchst, so recht was Großes

Zu unternehmen!

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