Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 20)

Hasse mich! Ich müßte feuerrot werden vor Scham, wenn ich an Karln denke und mir eben einfiel, daß du mich nicht hassest. Du versprichst mir’s doch? – Itzt geh und laß mich, ich bin so gern allein!

Franz. Allerliebste Träumerin, wie sehr bewundere ich dein sanftes liebevolles Herz. (Ihr auf die Brust klopfend.) Hier, hier herrschte Karl wie ein Gott in seinem Tempel, Karl stand vor dir im Wachen, Karl regierte in deinen Träumen, die ganze Schöpfung schien dir nur in den Einzigen zu zerfließen, den Einzigen widerzustrahlen, den Einzigen dir entgegenzutönen.

Amalia (bewegt). Ja, wahrhaftig, ich gesteh es. Euch Barbaren zum Trutz will ich’s vor aller Welt gestehen: ich lieb ihn!

Franz. Unmenschlich, grausam! Diese Liebe so zu belohnen! Die zu vergessen –

Amalia (auffahrend). Was, mich vergessen?

Franz. Hattest du ihm nicht einen Ring an den Finger gesteckt? einen Diamantring zum Unterpfand deiner Treue! – Freilich nun, wie kann auch ein Jüngling den Reizen einer Metze Widerstand tun? Wer wird’s ihm auch verdenken, da ihm sonst nichts mehr übrig war wegzugeben, – und bezahlte sie ihn nicht mit Wucher dafür mit ihren Liebkosungen, ihren Umarmungen?

Amalia (aufgebracht). Meinen Ring einer Metze?

Franz. Pfui, pfui! das ist schändlich. Wohl aber, wenn’s nur das wäre! – Ein Ring, so kostbar er auch ist, ist im Grunde bei jedem Juden wiederzuhaben – vielleicht mag ihm die Arbeit daran nicht gefallen haben, vielleicht hat er einen schönern dafür eingehandelt.

Amalia (heftig). Aber meinen Ring – ich sage, meinen Ring?

Franz. Keinen andern, Amalia. – Ha! solch ein Kleinod, und an meinem Finger – und von Amalia! – Von hier sollt ihn der Tod nicht gerissen haben – nicht wahr, Amalia? Nicht die Kostbarkeit des Diamants, nicht die Kunst des Gepräges – die Liebe macht seinen Wert aus. – Liebstes Kind, du weinest? Wehe über den, der diese köstliche Tropfen aus so himmlischen Augen preßt. – Ach, und wenn du erst alles wüßtest, ihn selbst sähest, ihn unter der Gestalt sähest? –

Amalia. Ungeheuer! Wie? Unter welcher Gestalt?

Franz. Stille, stille, gute Seele, frage mich nicht aus! (Wie vor sich, aber laut.) Wenn es doch wenigstens nur einen Schleier hätte, das garstige Laster, sich dem Auge der Welt zu entstehlen! Aber da blickt’s schrecklich durch den gelben, bleifarbenen Augenring; – da verrät sich’s im totenblassen, eingefallenen Gesicht, und dreht die Knochen häßlich hervor – da stammelt’s in der halben, verstümmelten Stimme – da predigt’s fürchterlich laut vom zitternden, hinschwankenden Gerippe – da durchwühlt es der Knochen innerstes Mark und bricht die mannhafte Stärke der Jugend – da, da spritzt es den eitrigten, fressenden Schaum aus Stirn und Wangen und Mund und der ganzen Fläche des Leibes zum scheußlichen Aussatz hervor und nistet abscheulich in den Gruben der viehischen Schande. – Pfui, pfui! Mir ekelt. Nasen, Augen, Ohren schütteln sich. – Du hast jenen Elenden gesehen, Amalia, der in unserem Siechenhause seinen Geist auskeuchte; die Scham schien ihr scheues Auge vor ihm zuzublinzen – du ruftest Wehe über ihn aus. Ruf dies Bild noch einmal ganz in deine Seele zurück, und Karl steht vor dir!

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