Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 22)

Liebe in einer Vollkommenheit zusammentraf, und wenn die Liebe die nämliche ist, wie könnten ihre Kinder entarten?

Amalia (sieht ihn verwundert an).

Franz. Es war ein stiller, heiterer Abend, der letzte, eh er nach Leipzig abreiste, da er mich mit sich in jene Laube nahm, wo ihr so oft zusammensaßet in Träumen der Liebe. – Stumm blieben wir lang – zuletzt ergriff er meine Hand und sprach leise mit Tränen: Ich verlasse Amalia, ich weiß nicht – mir ahndet’s, als hieß es auf ewig, – verlaß sie nicht, Bruder! – sei ihr Freund – ihr Karl – wenn Karl – nimmer – wiederkehrt! (Er stürzt vor ihr nieder und küßt ihr die Hand mit Heftigkeit.) Nimmer, nimmer, nimmer wird er wiederkehren, und ich habs ihm zugesagt mit einem heiligen Eide!

Amalia (zurückspringend). Verräter, wie ich dich ertappe! In eben dieser Laube beschwur er mich, keiner andern Liebe – wenn er sterben sollte – siehst du, wie gottlos, wie abscheulich du – geh aus meinen Augen!

Franz. Du kennst mich nicht, Amalia, du kennst mich gar nicht!

Amalia. O, ich kenne dich, von itzt an kenn ich dich. – Und du wolltest ihm gleich sein? Vor dir sollt er um mich geweint haben? Vor dir? Ehe hätt er meinen Namen auf den Pranger geschrieben! Geh den Augenblick!

Franz. Du beleidigst mich!

Amalia. Geh, sag ich. Du hast mir eine kostbare Stunde gestohlen; sie werde dir an deinem Leben abgezogen!

Franz. Du hassest mich.

Amalia. Ich verachte dich, geh!

Franz (mit den Füßen stampfend). Wart! so sollst du vor mir zittern! Mich einem Bettler aufopfern? (Zornig ab.)

Amalia. Geh, Lotterbube! – Itzt bin ich wieder bei Karln – Bettler, sagt er? So hat die Welt sich umgedreht! Bettler sind Könige, und Könige sind Bettler! – Ich möchte die Lumpen, die er anhat, nicht mit dem Purpur der Gesalbten vertauschen! Der Blick, mit dem er bettelt, das muß ein großer, ein königlicher Blick sein – ein Blick, der die Herrlichkeit, den Pomp, die Triumphe der Großen und Reichen zernichtet! In den Staub mit dir, du prangendes Geschmeide! (Sie reißt sich die Perlen vom Hals.) Seid verdammt, Gold und Silber und Juwelen zu tragen, ihr Großen und Reichen! Seid verdammt, an üppigen Mahlen zu zechen! Verdammt, euren Gliedern wohlzutun auf weichen Polstern der Wollust! Karl! Karl! so bin ich dein wert – (Ab.)

Zweiter Akt

Erste Szene

Franz von Moor, nachdenkend in seinem Zimmer.

Franz. Es dauert mir zu lange – der Doktor will, er sei im Umkehren – das Leben eines Alten ist doch eine Ewigkeit! – Und nun wär freie, ebene Bahn bis auf diesen ärgerlichen zähen Klumpen Fleisch, der mir, gleich dem unterirdischen Zauberhund in den Geistermärchen, den Weg zu meinen Schätzen verrammelt.

Müssen denn aber meine Entwürfe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus beugen? – Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen? – Ein Licht ausgeblasen, das ohnehin nur mit den letzten Öltropfen noch wuchert – mehr ist’s nicht – Und doch möcht ich das nicht gern selbst getan haben, um der Leute willen. Ich möcht ihn

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