Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 23)
nicht gern getötet, aber abgelebt. Ich möcht es machen wie der gescheite Arzt, nur umgekehrt. – Nicht der Natur durch einen Querstreich den Weg verrannt, sondern sie in ihrem eigenen Gange befördert. Und wir vermögen doch wirklich die Bedingungen des Lebens zu verlängern, warum sollten wir sie nicht auch verkürzen können?
Philosophen und Mediziner lehren mich, wie treffend die Stimmungen des Geistes mit den Bewegungen der Maschine zusammenlauten. Gichtrische Empfindungen werden jederzeit von einer Dissonanz der mechanischen Schwingungen begleitet – Leidenschaften mißhandeln die Lebenskraft – der überladene Geist drückt sein Gehäuse zu Boden. – Wie denn nun? – Wer es verstünde, dem Tod diesen ungebahnten Weg in das Schloß des Lebens zu ebenen? – den Körper vom Geist aus zu verderben – Ha! ein Originalwerk! – Wer das zustande brächte! – Ein Werk ohnegleichen! – Sinne nach, Moor! – Das wär eine Kunst, die’s verdiente, dich zum Erfinder zu haben. Hat man doch die Giftmischerei beinahe in den Rang einer ordentlichen Wissenschaft erhoben und die Natur durch Experimente gezwungen, ihre Schranken anzugeben, daß man nunmehr des Herzens Schläge jahrelang vorausberechnet und zu dem Pulse spricht: bis hieher und nicht weiter!* – Wer sollte nicht auch hier seine Flügel versuchen?
Und wie ich nun werde zu Werk gehen müssen, diese süße friedliche Eintracht der Seele mit ihrem Leibe zu stören? Welche Gattung von Empfindnissen ich werde wählen müssen? Welche wohl den Flor des Lebens am grimmigsten anfeinden? Zorn? – dieser heißhungrige Wolf frißt sich zu schnell satt – Sorge? – dieser Wurm nagt mir zu langsam – Gram? – diese Natter schleicht mir zu träge – Furcht? die Hoffnung läßt sie nicht umgreifen. – Was? sind das all die Henker des Menschen? – Ist das Arsenal des Todes so bald erschöpft? – (Tiefsinnend.) Wie? – Nun? – Was? Nein! – Ha! (Auffahrend.) Schreck! – Was kann der Schreck nicht? – Was kann Vernunft, Religion wider dieses Giganten eiskalte Umarmung? – Und doch? – Wenn er auch diesem Sturm stünde? – Wenn er? – O, so komme du mir zu Hilfe, Jammer, und du, Reue, höllische Eumenide, grabende Schlange, die ihren Fraß wiederkäut und ihren eigenen Kot wiederfrißt; ewige Zerstörerinnen und ewige Schöpferinnen eures Giftes! Und du, heulende Selbstverklagung, die du dein eigen Haus verwüstest und deine eigene Mutter verwundest. – Und kommt auch ihr mir zu Hilfe, wohltätige Grazien selbst, sanftlächelnde Vergangenheit, und du mit dem überquellenden Füllhorn, blühende Zukunft, haltet ihm in euren Spiegeln die Freuden des Himmels vor, wenn euer fliehender Fuß seinen geizigen Armen entgleitet. – So fall ich, Streich auf Streich, Sturm auf Sturm dieses zerbrechliche Leben an, bis den Furientripp zuletzt schließt – die Verzweiflung! Triumph! Triumph! – Der Plan ist fertig – schwer und kunstvoll wie keiner – zuverlässig – sicher – denn (spöttisch) des Zergliederers Messer findet ja keine Spuren von Wunde oder korrosivischem Gift.
(Entschlossen.) Wohlan denn!
Hermann tritt auf.
Ha! Deus ex machina! Hermann!
Hermann. Zu Euren Diensten, gnädiger Junker!
Franz (gibt ihm die Hand). Die du keinem Undankbaren erweisest.
Hermann. Ich hab Proben davon.
Franz. Du sollst mehr haben