Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 31)

und sprach: Ich werde mit Leid hinunterfahren –«

Der Alte Moor. Hör auf, hör auf! Mir wird sehr übel.

Amalia (hinzuspringend, läßt das Buch fallen). Hilf Himmel! Was ist das?

Der Alte Moor. Das ist der Tod! – Schwarz – schwimmt – vor meinen – Augen – ich bitt dich – ruf dem Pastor – daß er mir – das Abendmahl reiche. – Wo ist – mein Sohn Franz?

Amalia. Er ist geflohen! Gott erbarme sich unser!

Der Alte Moor. Geflohen – geflohen von des Sterbenden Bett? – – Und das all – all – von zwei Kindern voll Hoffnung. – Du hast sie – gegeben – hast sie – genommen – – Dein Name sei – –

Amalia (mit einem plötzlichen Schrei). Tot! Alles tot! (Ab in Verzweiflung.)

Franz hüpft frohlockend herein.

Franz. Tot! schreien sie, tot! Jetzt bin ich Herr. Im ganzen Schlosse zetert es, tot! – Wie aber, schläft er vielleicht nur? – Freilich, ach freilich! Das ist nun freilich ein Schlaf, wo es ewig niemals »Guten Morgen« heißt – Schlaf und Tod sind nur Zwillinge. Wir wollen einmal die Namen wechseln! Wackerer, willkommener Schlaf! Wir wollen dich Tod heißen! (Er drückt ihm die Augen zu.) Wer wird nun kommen und es wagen, mich vor Gericht zu fordern? oder mir ins Angesicht zu sagen: Du bist ein Schurke! Weg dann mit dieser lästigen Larve von Sanftmut und Tugend! Nun sollt ihr den nackten Franz sehen und euch entsetzen! Mein Vater überzuckerte seine Forderungen, schuf sein Gebiet zu einem Familienzirkel um, saß liebreich lächelnd am Tor und grüßte sie Brüder und Kinder. – Meine Augenbraunen sollen über euch herhangen wie Gewitterwolken, mein herrischer Name schweben wie ein drohender Komet über diesen Gebirgen, meine Stirne soll euer Wetterglas sein! Er streichelte und koste den Nacken, der gegen ihn störrig zurückschlug. Streicheln und Kosen ist meine Sache nicht. Ich will euch die zackigte Sporen ins Fleisch hauen und die scharfe Geißel versuchen. – In meinem Gebiet soll’s soweit kommen, daß Kartoffeln und dünn Bier ein Traktament für Festtage werden, und wehe dem, der mir mit vollen feurigen Backen unter die Augen tritt! Blässe der Armut und sklavischen Furcht sind meine Leibfarbe, in diese Liverei will ich euch kleiden! (Er geht ab.)

Dritte Szene

Die böhmischen Wälder.

Spiegelberg, Razmann, Räuberhaufen.

Razmann. Bist da? Bist’s wirklich? So laß dich doch zu Brei zusammendrucken, lieber Herzensbruder Moritz! Willkommen in den böhmischen Wäldern! Bist ja groß worden und stark. Sternkreuzbataillon! Bringst ja Rekruten mit einen ganzen Trieb, du trefflicher Werber!

Spiegelberg. Gelt, Bruder? Gelt? Und das ganze Kerl darzu! – Du glaubst nicht, Gottes sichtbarer Segen ist bei mir: war dir ein armer hungriger Tropf, hatte nichts als diesen Stab, da ich über den Jordan ging, und itzt sind unserer achtundsiebenzig, meistens ruinierte Krämer, rejizierte Magister und Schreiber aus den schwäbischen Provinzen; das ist dir ein Korps Kerles, Bruder, deliziöse Bursche, sag ich dir, wo als einer dem andern die Knöpfe von den Hosen stiehlt und mit geladener Flinte neben ihm sicher ist – und haben vollauf, und stehen dir in einem Renommee

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