Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 42)

absehen kann, bist du eingeschlossen von unsern Reutern – hier ist kein Raum zum Entrinnen mehr. – So gewiß Kirschen auf diesen Eichen wachsen, und diese Tannen Pfirsiche tragen, so gewiß werdet ihr unversehrt diesen Eichen und diesen Tannen den Rücken kehren.

Moor. Hörst du’s wohl, Schweizer? – Aber nur weiter!

Pater. Höre dann, wie gütig, wie langmütig das Gericht mit dir, Böswicht, verfährt. Wirst du itzt gleich zum Kreuz kriechen und um Gnade und Schonung flehen, siehe, so wird dir die Strenge selbst Erbarmen, die Gerechtigkeit eine liebende Mutter sein – sie drückt das Auge bei der Hälfte deiner Verbrechen zu, und läßt es – denk doch! – und läßt es bei dem Rade bewenden.

Schweizer. Hast du’s gehört, Hauptmann? Soll ich hingehn und diesem abgerichteten Schäferhund die Gurgel zusammenschnüren, daß ihm der rote Saft aus allen Schweißlöchern sprudelt? –

Roller. Hauptmann! – Sturm, Wetter und Hölle! – Hauptmann! – wie er die Unterlippe zwischen die Zähne klemmt! Soll ich diesen Kerl das Oberst zu unterst unters Firmament wie einen Kegel aufsetzen?

Schweizer. Mir! mir! Laß mich knien, vor dir niederfallen! Mir laß die Wollust, ihn zu Brei zusammenzureiben!

(Pater schreit.)

Moor. Weg von ihm! Wag es keiner, ihn anzurühren! – (Zum Pater, indem er seinen Degen zieht.) Sehen Sie, Herr Pater! hier stehn Neunundsiebenzig, deren Hauptmann ich bin, und weiß keiner auf Wink und Kommando zu fliegen oder nach Kanonenmusik zu tanzen, und draußen stehn Siebenzehnhundert, unter Musketen ergraut – aber hören Sie nun! so redet Moor, der Mordbrenner Hauptmann: Wahr ist’s, ich habe den Reichsgrafen erschlagen, die Dominikuskirche angezündet und geplündert, hab Feuerbrände in Eure bigotte Stadt geworfen und den Pulverturm über die Häupter guter Christen herabgestürzt – aber das ist noch nicht alles. ich habe noch mehr getan. (Er streckt seine rechte Hand aus.) Bemerken Sie die vier kostbaren Ringe, die ich an jedem Finger trage? – Sehen Sie hin, und richten Sie Punkt für Punkt den Herren des Gerichts über Leben und Tod aus, was Sie sehen und hören werden! – Diesen Rubin zog ich einem Minister vom Finger, den ich auf der Jagd zu den Füßen seines Fürsten niederwarf. Er hatte sich aus dem Pöbelstaub zu seinem ersten Günstling emporgeschmeichelt; der Fall seines Nachbars war seiner Hoheit Schemel – Tränen der Waisen huben ihn auf. Diesen Demant zog ich einem Finanzrat ab, der Ehrenstellen und Ämter an die Meistbietenden verkaufte und den traurenden Patrioten von seiner Türe stieß. – Diesen Achat trage ich einem Pfaffen Ihres Gelichters zur Ehre, den ich mit eigener Hand erwürgte, als er auf offener Kanzel geweint hatte, daß die Inquisition so in Zerfall käme. – Ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten von meinen Ringen erzählen, wenn mich nicht schon die paar Worte gereuten, die ich mit Ihnen verschwendet habe –

Pater. O Pharao! Pharao!

Moor. Hört ihr’s wohl? Habt ihr den Seufzer bemerkt? Steht er nicht da, als wollte er Feuer vom Himmel auf die Rotte Korah herunterbeten, richtet mit einem Achselzucken, verdammt mit einem christlichen Ach! – Kann der Mensch denn so blind sein? Er, der

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