Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 8)

wenn er nun kommt mit der Larve des Heuchlers, Euer Mitleid erweint, Eure Vergebung sich erschmeichelt und morgen hingeht und Eurer Schwachheit spottet im Arm seiner Huren? – Nein, Vater! Er wird freiwillig wiederkehren, wenn ihn sein Gewissen rein gesprochen hat.

Der Alte Moor. So will ich ihm das auf der Stelle schreiben.

Franz. Halt! noch ein Wort, Vater! Eure Entrüstung, fürchte ich, möchte Euch zu harte Worte in die Feder werfen, die ihm das Herz zerspalten würden – und dann – glaubt Ihr nicht, daß er das schon für Verzeihung nehmen werde, wenn Ihr ihn noch eines eigenhändigen Schreibens wert haltet? Darum wird’s besser sein, Ihr überlaßt das Schreiben mir.

Der Alte Moor. Tu das, mein Sohn. – Ach! es hätte mir doch das Herz gebrochen! Schreib ihm – –

Franz (schnell). Dabei bleibt’s also?

Der Alte Moor. Schreib ihm, daß ich tausend blutige Tränen, tausend schlaflose Nächte – Aber bring meinen Sohn nicht zur Verzweiflung!

Franz. Wollt Ihr Euch nicht zu Bette legen, Vater? Es griff Euch hart an.

Der Alte Moor. Schreib ihm, daß die väterliche Brust – Ich sage dir, bring meinen Sohn nicht zur Verzweiflung! (Geht traurig ab.)

Franz (mit Lachen ihm nachsehend). Tröste dich, Alter, du wirst ihn nimmer an diese Brust drücken; der Weg darzu ist ihm verrammelt wie der Himmel der Hölle. Er war aus deinen Armen gerissen, ehe du wußtest, daß du es wollen könntest. – Da müßt ich ein erbärmlicher Stümper sein, wenn ich’s nicht einmal so weit gebracht hätte, einen Sohn vom Herzen des Vaters loszulösen, und wenn er mit ehernen Banden daran geklammert wäre. – Ich hab einen magischen Kreis von Flüchen um dich gezogen, den er nicht überspringen soll. – Glück zu, Franz! weg ist das Schoßkind – der Wald ist heller. Ich muß diese Papiere vollends aufheben, wie leicht könnte jemand meine Handschrift kennen. (Er liest die zerrissenen Briefstücke zusammen.) – Und Gram wird auch den Alten bald fortschaffen, – und ihr muß ich diesen Karl aus dem Herzen reißen, wenn auch ihr halbes Leben dran hängen bleiben sollte.

Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und, bei meiner Ehre! ich will sie geltend machen. – Warum bin ich nicht der erste aus Mutterleib gekrochen? Warum nicht der einzige? Warum mußte sie mir diese Bürde von Häßlichkeit aufladen? Gerade mir? Nicht anders, als ob sie bei meiner Geburt einen Rest gesetzt hätte. Warum gerade mir die Lappländersnase? gerade mir dieses Mohrenmaul? diese Hottentottenaugen? Wirklich, ich glaube, sie hat von allen Menschensorten das Scheußliche auf einen Haufen geworfen und mich daraus gebacken. Mord und Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben, jenem dieses zu verleihen und mir vorzuenthalten? Könnte ihr jemand darum hofieren, eh er entstund? oder sie beleidigen, eh er selbst wurde? Warum ging sie so parteilich zu Werke?

Nein! nein! Ich tu ihr Unrecht. Gab sie uns doch Erfindungsgeist mit, setzte uns nackt und armselig ans Ufer dieses großen Ozeans Welt. – Schwimme, wer schwimmen kann, und wer zu plump ist, geh unter! Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen

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