Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 6)

Stille der Wälder residiert und dem müden Wanderer seine Reise um die Hälfte der Bürde erleichtert – vielleicht könnt Ihr noch, eh Ihr zu Grabe geht, eine Wallfahrt nach seinem Monumente tun, das er sich zwischen Himmel und Erden errichtet – vielleicht – o Vater, Vater, Vater! – seht Euch nach einem andern Namen um, sonst deuten Krämer und Gassenjungen mit Fingern auf Euch, die Euren Herrn Sohn auf dem Leipziger Marktplatz im Porträt gesehen haben.

Der Alte Moor. Und auch du, mein Franz, auch du? O meine Kinder! Wie sie nach meinem Herzen zielen!

Franz. Ihr seht, ich kann auch witzig sein, aber mein Witz ist Skorpionstich. – Und dann der trockne Alltagsmensch, der kalte, hölzerne Franz, und wie die Titelchen alle heißen mögen, die Euch der Kontrast zwischen ihm und mir mocht eingegeben haben, wenn er Euch auf dem Schoße saß oder in die Backen zwickte – der wird einmal zwischen seinen Grenzsteinen sterben und modern und vergessen werden, wenn der Ruhm dieses Universalkopfs von einem Pole zum andern fliegt. – Ha! mit gefaltnen Händen dankt dir, o Himmel! der kalte, trockne, hölzerne Franz – daß er nicht ist, wie dieser!

Der Alte Moor. Vergib mir, mein Kind. Zürne nicht auf einen Vater, der sich in seinen Planen betrogen findet. Der Gott, der mir durch Karln Tränen zusendet, wird sie durch dich, mein Franz, aus meinen Augen wischen.

Franz. Ja, Vater, aus Euren Augen soll er sie wischen. Euer Franz wird sein Leben dran setzen, das Eurige zu verlängern. Euer Leben ist das Orakel, das ich vor allem zu Rate ziehe über dem, was ich tun will, der Spiegel, durch den ich alles betrachte – seine Pflicht ist mir so heilig, die ich nicht zu brechen bereit bin, wenn’s um Euer kostbares Leben zu tun ist. – Ihr glaubt mir das?

Der Alte Moor. Du hast noch große Pflichten auf dir, mein Sohn – Gott segne dich für das, was du mir warst und sein wirst!

Franz. Nun sagt mir einmal – wenn Ihr diesen Sohn nicht Euren nennen müßtet, Ihr wärt ein glücklicher Mann?

Der Alte Moor. Stille, o stille! Da ihn die Wehmutter mir brachte, hub ich ihn gen Himmel und rief: »Bin ich nicht ein glücklicher Mann?«

Franz. Das sagtet Ihr. Nun, habt Ihr’s gefunden? Ihr beneidet den schlechtesten Eurer Bauren, daß er nicht Vater ist zu diesem. Ihr habt Kummer, solang Ihr diesen Sohn habt. Dieser Kummer wird wachsen mit Karln. Dieser Kummer wir Euer Leben untergraben.

Der Alte Moor. Oh! er hat mich zu einem achtzigjährigen Manne gemacht.

Franz. Nun also – wenn Ihr dieses Sohnes Euch entäußertet?

Der Alte Moor (auffahrend). Franz! Franz! was sagst du?

Franz. Ist es nicht diese Liebe zu Ihm, die Euch all den Gram macht? Ohne diese Liebe ist er für Euch nicht da. Ohne diese strafbare, diese verdammliche Liebe ist er Euch gestorben – ist er Euch nie geboren. Nicht Fleisch und Blut, das Herz macht uns zu Vätern und Söhnen. Liebt Ihr ihn nicht mehr, so ist diese Abart auch Euer Sohn nicht mehr, und wär er

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