Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 80)

seinen Armen gepreßt.)

RÄUBER MOOR (zurückspringend). Wer bringt dies Bild vor meine Augen?

AMALIA (entspringt dem Alten und springt auf den Räuber zu und umschlingt ihn entzückt). Ich hab ihn, o ihr Sterne! Ich hab ihn! –

RÄUBER MOOR (sich losreißend, zu den Räubern). Brecht auf, ihr! Der Erzfeind hat mich verraten!

AMALIA. Bräutigam, Bräutigam, du rasest! Ha! Vor Entzückung! Warum bin ich auch so fühllos, mitten im Wonnewirbel so kalt?

DER ALTE MOOR (sich aufraffend). Bräutigam? Tochter! Tochter! Ein Bräutigam?

AMALIA. Ewig sein! Ewig, ewig, ewig mein! – O ihr Mächte des Himmels! Entlastet mich dieser tödlichen Wollust, daß ich nicht unter der Bürde vergehe!

RÄUBER MOOR. Reißt sie von meinem Halse! Tötet sie! Tötet ihn! Mich! Euch! Alles! Die ganze Welt geht zugrunde! (Er will davon.)

AMALIA. Wohin? Was? Liebe – Ewigkeit! Wonn’! Unendlichkeit – und du fliehst?

RÄUBER MOOR. Weg, weg! – Unglückseligste der Bräute! – Schau selbst, frage selbst, höre! – Unglückseligster der Väter! Laß mich immer ewig davonrennen!

AMALIA. Haltet mich! Um Gottes willen, haltet mich! – Es wird mir so Nacht vor den Augen! – Er flieht!

RÄUBER MOOR. Zu spät! Vergebens! Dein Fluch, Vater! – Frage mich nichts mehr! – Ich bin, ich habe – Dein Fluch – Dein vermeinter Fluch! – Wer hat mich hergelockt? (Mit gezogenem Degen auf die Räuber losgehend.) Wer von euch hat mich hieher gelockt, ihr Kreaturen des Abgrunds? So vergeh dann, Amalia! – Stirb, Vater! Stirb durch mich zum drittenmal! – Diese deine Retter sind Räuber und Mörder! Dein Karl ist ihr Hauptmann! (Der alte Moor gibt seinen Geist auf.)

AMALIA (Steht stumm und starr wie eine Bildsäule. Die ganze Bande in fürchterlicher Pause).

RÄUBER MOOR (wider eine Eiche rennend). Die Seele derer, die ich erdrosselte im Taumel der Liebe – derer, die ich zerschmetterte im heiligen Schlaf, derer – hahaha! Hört ihr den Pulverturm knallen über der kreißenden Stühlen? Seht ihr die Flammen schlagen an den Wiegen der Säuglinge? Das ist Brautfackel, das ist Hochzeitmusik. – O, er vergißt nicht, er weiß zu knüpfen. – Darum von mir die Wonne der Liebe! Darum mir zur Folter die Liebe! Das ist Vergeltung!

AMALIA. Es ist wahr! Herrscher im Himmel! Es ist wahr! – Was hab ich getan, ich unschuldiges Lamm? Ich hab diesen geliebt!

RÄUBER MOOR. Das ist mehr, als ein Mann erduldet. Hab ich doch den Tod aus mehr denn tausend Röhren auf mich zupfeifen gehört, und bin ihm keinen Fuß breit gewichen, soll ich itzt erst lernen beben wie ein Weib? beben vor einem Weib? – Nein, ein Weib erschüttert meine Mannheit nicht. Blut, Blut! Es ist nur ein Anstoß vom Weibe – Blut muß ich saufen, es wird vorübergehen. (Er will davonfliehen.)

AMALIA (fällt ihm in die Arme). Mörder! Teufel! Ich kann dich Engel nicht lassen.

RÄUBER MOOR (schleudert sie von sich). Fort, falsche Schlange, du willst einen Rasenden höhnen – aber ich poche dem Tyrannen verhängnis. – Was? Du weinest? O, ihr losen, boshaften Gestirne! Sie tut, als ob sie weine, als ob um mich eine Seele weine! (Amalia fällt ihm um den Hals.) Ha, was ist das? Sie speit

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