Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 78)

zurück und saget meinem Hauptmann: Er ist maustot – mich sieht er nicht wieder. (Schießt sich vor die Stirn.)

Zweite Szene

Der Schauplatz wie in der letzten Szene des vorigen Akts.

Der alte Moor auf einem Stein sitzend. Räuber Moor gegenüber.

Räuber hin und her im Wald.

RÄUBER MOOR. Er kommt noch nicht! (Schlägt mit dem Dolch auf einen Stein, daß es Funken gibt.)

DER ALTE MOOR. Verzeihung sei seine Strafe – meine Rache verdoppelte Liebe!

RÄUBER MOOR. Nein, bei meiner grimmigen Seele! das soll nicht sein. Ich will’s nicht haben. Die große Schandtat soll er mit sich in die Ewigkeit hinüberschleppen! – Wofür hab ich ihn dann umgebracht?

DER ALTE MOOR (in Tränen ausbrechend). O mein Kind!

RÄUBER MOOR. Was? – Du weinst um ihn – an diesem Turme?

DER ALTE MOOR. Erbarmung! o Erbarmung! (Heftig die Hände ringend.) Itzt – itzt wird mein Kind gerichtet!

RÄUBER MOOR (erschrocken). Welches?

DER ALTE MOOR. Ha! was ist das für eine Frage?

RÄUBER MOOR. Nichts! Nichts!

DER ALTE MOOR. Bist du kommen, Hohngelächter anzustimmen über meinem Jammer?

RÄUBER MOOR. Verrätrisches Gewissen! – Merket nicht auf meine Rede!

DER ALTE MOOR. Ja, ich hab einen Sohn gequält, und ein Sohn mußte mich wieder quälen; das ist Gottes Finger. – O mein Karl! mein Karl! wenn du um mich schwebst im Gewand des Friedens! Vergib mir! O, vergib mir!

RÄUBER MOOR (schnell). Er vergibt Euch. (Betroffen.) Wenn er’s wert ist, Euer Sohn zu heißen – Er muß Euch vergeben.

DER ALTE MOOR. Ha! Er war zu herrlich für mich – Aber ich will ihm entgegen mit meinen Tränen, meinen schlaflosen Nächten, meinen quälenden Träumen, seine Knie will ich umfassen – rufen – laut rufen: Ich hab gesündigt im Himmel und vor dir. Ich bin nicht wert, daß du mich Vater nennst.

RÄUBER MOOR (sehr gerührt). Er war Euch lieb, Euer andrer Sohn?

DER ALTE MOOR. Du weißt es, o Himmel! warum ließ ich mich doch durch die Ränke eines bösen Sohnes betören? Ein gepriesener Vater ging ich einher unter den Vätern der Menschen. Schön um mich blühten meine Kinder voll Hoffnung. Aber – o der unglückseligen Stunde! – der böse Geist fuhr in das Herz meines zweiten; ich traute der Schlange – verloren meine Kinder beide. (Verhüllt sich das Gesicht.)

RÄUBER MOOR (geht weit von ihm weg). Ewig verloren!

DER ALTE MOOR. O, ich fühl es tief, was mir Amalia sagte, der Geist der Rache sprach aus ihrem Munde: vergebens ausstrecken deine sterbenden Hände wirst du nach einem Sohn, vergebens wähnen zu umfassen die warme Hand deines Karls, der nimmermehr an deinem Bette steht –

RÄUBER MOOR (reicht ihm die Hand mit abgewandtem Gesicht).

DER ALTE MOOR. Wärst du meines Karls Hand! – Aber er liegt fern im engen Hause, schläft schon den eisernen Schlaf, höret nimmer die Stimme meines Jammers. – Weh mir! Sterben in den Armen eines Fremdlings – Kein Sohn mehr – kein Sohn mehr, der mir die Augen zudrücken könnte –

RÄUBER MOOR (in der heftigsten Bewegung). Itzt muß es sein – itzt.– Verlaßt mich (zu den Räubern). Und doch – kann ich ihm denn seinen Sohn wiederschenken? – Ich

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