Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 22)
das die ganze Welt dieses Mannes ist? Sie Mylady – vor einem Augenblick die bewundernswürdige Britin? – Sie können das?
LADY: Weil ich es muß. Mit Ernst und Stärke: Meine Leidenschaft, Walter, weicht meiner Zärtlichkeit für Sie. Meine Ehre kann's nicht mehr – Unsre Verbindung ist das Gespräch des ganzen Landes. Alle Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt. Die Beschimpfung ist unauslöschlich, wenn ein Untertan des Fürsten mich ausschlägt. Rechten Sie mit Ihrem Vater. Wehren Sie sich so gut Sie können. – Ich laß alle Minen sprengen.
Sie geht schnell ab. Der Major bleibt in sprachloser Erstarrung stehn. Pause. Dann stürzt er fort durch die Flügeltüre.
Vierte Szene
Zimmer beim Musikanten.
Miller. Frau Millerin. Luise treten auf
MILLER hastig ins Zimmer: Ich hab's ja zuvor gesagt!
LUISE sprengt ihn ängstlich an: Was, Vater, was?
MILLER rennt wie toll auf und nieder: Meinen Staatsrock her – hurtig – ich muß ihm zuvorkommen – und ein weißes Manschettenhemd! – Das hab ich mir gleich eingebildet!
LUISE: Um Gottes willen! Was?
MILLERIN: Was gibt's denn? Was ist's denn?
MILLER wirft seine Perücke ins Zimmer: Nur gleich zum Friseur das! – Was es gibt? Vor den Spiegel gesprungen. Und mein Bart ist auch wieder fingerslang – Was es gibt? – Was wird's geben, du Rabenaas? – Der Teufel ist los, und dich soll das Wetter schlagen.
FRAU: Da sehe man! Über mich muß gleich alles kommen.
MILLER: Über dich? Ja blaues Donnermaul und über wen anders? Heute früh mit deinem diabolischen Junker – Hab ich's nicht im Moment gesagt? – Der Wurm hat geplaudert.
FRAU: Ah Was! Wie kannst du das wissen?
MILLER: Wie kann ich das wissen? – Da! – unter der Haustüre spukt ein Kerl des Ministers, und fragt nach dem Geiger.
LUISE: Ich bin des Todes.
MILLER: Du aber auch mit deinen Vergißmeinnichtsaugen. Lacht voll Bosheit. Das hat seine Richtigkeit, wem der Teufel ein Ei in die Wirtschaft gelegt hat, dem wird eine hübsche Tochter geboren – Jetzt hab ich's blank!
FRAU: Woher weißt du denn, daß es der Luise gilt? – Du kannst dem Herzog rekommendiert worden sein. Er kann dich ins Orchester verlangen.
MILLER springt nach seinem Rohr: Daß dich der Schwefelregen von Sodom! – Orchester! – Ja, wo du Kupplerin den Diskant wirst heulen, und mein blauer Hinterer den Konterbaß vorstellen. Wirft sich in seinen Stuhl. Gott im Himmel!
LUISE setzt sich totenbleich nieder: Mutter! Vater! Warum wird mir auf einmal so bange?
MILLER springt wieder vom Stuhl auf: Aber soll mir der Dintenkleckser einmal in den Schuß laufen! Soll er mir laufen! – Es sei in dieser oder in jener Welt – Wenn ich ihm nicht Leib und Seele breiweich zusammendresche, alle zehen Gebote und alle sieben Bitten im Vaterunser, und alle Bücher Mosis und der Propheten aufs Leder schreibe, daß man die blaue Flecken bei der Auferstehung der Toten noch sehen soll –
FRAU: Ja! fluch du und poltre du! Das wird jetzt den Teufel bannen. Hilf heiliger Herregott! Wohinaus nun? Wie werden wir Rat schaffen? Was nun anfangen? Vater Miller, so rede doch! Sie läuft heulend durchs Zimmer.
MILLER: Auf der