Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 24)

jetzt das Erwachen – –

MILLER: Luise! Luise! – O Gott sie ist von sich – Meine Tochter, mein armes Kind – Fluch über den Verführer! – Fluch über das Weib, das ihm kuppelte!

FRAU wirft sich jammernd auf Luisen: Verdien ich diesen Fluch, meine Tochter? Vergeb's Ihnen Gott, Baron – Was hat dieses Lamm getan, daß Sie es würgen?

FERDINAND springt an ihr auf, voll Entschlossenheit: Aber ich will seine Kabalen durchbohren – durchreißen will ich alle diese eiserne Ketten des Vorurteils – Frei wie ein Mann will ich wählen, daß diese Insektenseelen am Riesenwerk meiner Liebe hinaufschwindeln. Er will fort.

LUISE zittert vom Sessel auf, folgt ihm: Bleib! Bleib! Wohin willst du? – Vater – Mutter – in dieser bangen Stunde verläßt er uns?

FRAU eilt ihm nach, hängt sich an ihn: Der Präsident wird hieher kommen – Er wird unser Kind mißhandeln – Er wird uns mißhandeln – Herr von Walter, und Sie verlassen uns?

MILLER lacht wütend: Verläßt uns! Freilich! Warum nicht? – Sie gab ihm ja alles hin! Mit der einen Hand den Major, mit der andern Luisen fassend. Geduld Herr! der Weg aus meinem Hause geht nur über diese da – Erwarte erst deinen Vater, wenn du kein Bube bist – Erzähl es ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betrüger, oder bei Gott, Ihm seine Tochter zuschleudernd, wild und heftig: du sollst mir zuvor diesen wimmernden Wurm zertreten, den Liebe zu dir so zuschanden richtete.

FERDINAND kommt zurück, und geht auf und ab in tiefen Gedanken: Zwar die Gewalt des Präsidenten ist groß – Vaterrecht ist ein weites Wort – der Frevel selbst kann sich in seinen Falten verstecken – er kann es weit damit treiben – Weit! Doch aufs Äußerste treibt's nur die Liebe – Hier Luise! Deine Hand in die meinige. Er faßt diese heftig. So wahr mich Gott im letzten Hauch nicht verlassen soll! – Der Augenblick, der diese zwo Hände trennt, zerreißt auch den Faden zwischen mir und der Schöpfung.

LUISE: Mir wird bange! Blick weg! Deine Lippen beben. Dein Auge rollt fürchterlich –

FERDINAND: Nein Luise. Zittre nicht. Es ist nicht Wahnsinn was aus mir redet. Es ist das köstliche Geschenk des Himmels, Entschluß in dem geltenden Augenblick, wo die gepreßte Brust nur durch etwas Unerhörtes sich Luft macht – Ich liebe dich Luise – Du sollst mir bleiben, Luise – Jetzt zu meinem Vater.

Er eilt schnell fort und rennt – gegen den Präsidenten.

Sechste Szene

Der Präsident mit einem Gefolge von Bedienten. Vorige.

PRÄSIDENT im Hereintreten: Da ist er schon.

ALLE erschrocken.

FERDINAND weicht einige Schritte zurück: Im Hause der Unschuld.

PRÄSIDENT: Wo der Sohn Gehorsam gegen den Vater lernt?

FERDINAND: Lassen Sie uns das – –

PRÄSIDENT unterbricht ihn, zu Millern: Er ist der Vater?

MILLER: Stadtmusikant Miller.

PRÄSIDENT zur Frau: Sie die Mutter?

FRAU: Ach ja! die Mutter.

FERDINAND zu Millern: Vater, bring Er die Tochter weg – Sie droht eine Ohnmacht.

PRÄSIDENT: Überflüssige Sorgfalt. Ich will sie anstreichen. Zu Luisen: Wie lang kennt Sie den Sohn des Präsidenten?

LUISE: Diesem habe ich nie nachgefragt. Ferdinand von Walter besucht mich seit dem November.

FERDINAND: Betet

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