Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 26)
soll meiner Wut ihre Arme borgen. Für diesen Schimpf muß ich schreckliche Genugtuung haben – Ein solches Gesindel sollte meine Plane zerschlagen, und ungestraft Vater und Sohn aneinanderhetzen? – Ha Verfluchte! Ich will meinen Haß an eurem Untergang sättigen, die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will ich meiner brennenden Rache opfern.
FERDINAND tritt gelassen und standhaft unter sie hin: O nicht doch! Seid außer Furcht! Ich bin zugegen. Zum Präsidenten mit Unterwürfigkeit: Keine Übereilung mein Vater! Wenn Sie sich selbst lieben, keine Gewalttätigkeit – Es gibt eine Gegend in meinem Herzen, worin das Wort Vater noch nie gehört worden ist – Dringen Sie nicht bis in diese.
PRÄSIDENT: Nichtswürdiger! Schweig! Reize meinen Grimm nicht noch mehr.
MILLER kommt aus einer dumpfen Betäubung zu sich selbst: Schau du nach deinem Kinde, Frau. Ich laufe zum Herzog. Der Leibschneider – das hat mir Gott eingeblasen! – Der Leibschneider lernt die Flöte bei mir. Es kann mir nicht fehlen beim Herzog. Er will gehen.
PRÄSIDENT: Beim Herzog sagst du? – Hast du vergessen, daß ich die Schwelle bin, worüber du springen oder den Hals brechen mußt? – Beim Herzog du Dummkopf? – Versuch es, wenn du, lebendig tot, eine Turmhöhe tief, unter dem Boden im Kerker liegst, wo die Nacht mit der Hölle liebäugelt, und Schall und Licht wieder umkehren, raßle dann mit deinen Ketten und wimmre: Mir ist zuviel geschehen!
Siebente Szene
Gerichtsdiener. Die Vorigen.
FERDINAND eilt auf Luisen zu, die ihm halb tot in den Arm fällt: Luise! Hilfe! Rettung! Der Schrecken überwältigte sie.
MILLER ergreift sein spanisches Rohr, setzt den Hut auf, und macht sich zum Angriff gefaßt.
FRAU wirft sich auf die Knie vor den Präsident.
PRÄSIDENT zu den Gerichtsdienern, seinen Orden entblößend: Legt Hand an im Namen des Herzogs – Weg von der Metze, Junge – Ohnmächtig oder nicht – Wenn sie nur erst das eiserne Halsband umhat, wird man sie schon mit Steinwürfen aufwecken.
FRAU: Erbarmung Ihro Exzellenz! Erbarmung! Erbarmung!
MILLER reißt seine Frau in die Höhe: Knie vor Gott alte Heulhure, und nicht vor – – Schelmen, weil ich ja doch schon ins Zuchthaus muß.
PRÄSIDENT beißt die Lippen: Du kannst dich verrechnen, Bube. Es stehen noch Galgen leer. Zu den Gerichtsdienern: Muß ich es noch einmal sagen?
Gerichtsdiener dringen auf Luisen ein.
FERDINAND springt an ihr auf, und stellt sich vor sie, grimmig: Wer will was? Er zieht den Degen samt der Scheide, und wehrt sich mit dem Gefäß. Wag es, sie anzurühren, wer nicht auch die Hirnschale an die Gerichte vermietet hat. Zum Präsidenten: Schonen Sie Ihrer selbst. Treiben Sie mich nicht weiter mein Vater.
PRÄSIDENT drohend zu den Gerichtsdienern: Wenn euch euer Brot lieb ist, Memmen –
Gerichtsdiener greifen Luisen wieder an.
FERDINAND: Tod und alle Teufel! Ich sage: Zurück – Noch einmal. Haben Sie Erbarmen mit sich selbst. Treiben Sie mich nicht aufs Äußerste, Vater.
PRÄSIDENT aufgebracht zu den Gerichtsdienern: Ist das euer Diensteifer, Schurken?
Gerichtsdiener greifen hitziger an.
FERDINAND: Wenn es denn sein muß, Indem er den Degen zieht, und einige von denselben verwundet: so verzeih mir, Gerechtigkeit!
PRÄSIDENT voll Zorn: Ich will doch sehen, ob auch ich diesen Degen