Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 27)

fühle.

Er faßt Luisen selbst, zerrt sie in die Höh und übergibt sie einem Gerichtsknecht.

FERDINAND lacht erbittert: Vater, Vater, Sie machen hier ein beißendes Pasquill auf die Gottheit, die sich so übel auf ihre Leute verstund, und aus vollkommenen Henkersknechten schlechte Minister machte.

PRÄSIDENT zu den übrigen: Fort mit ihr!

FERDINAND: Vater, sie soll an den Pranger stehn, aber mit dem Major, des Präsidenten Sohn – Bestehen Sie noch darauf?

PRÄSIDENT: Desto possierlicher wird das Spektakel – Fort!

FERDINAND: Vater! ich werfe meinen Offiziersdegen auf das Mädchen – Bestehen Sie noch darauf?

PRÄSIDENT: Das Portepee ist an deiner Seite des Prangerstehens gewohnt worden – Fort! Fort! Ihr wißt meinen Willen.

FERDINAND drückt einen Gerichtsdiener weg, faßt Luisen mit einem Arm, mit dem andern zückt er den Degen auf sie: Vater! Eh Sie meine Gemahlin beschimpfen, durchstoß ich sie – Bestehen Sie noch darauf?

PRÄSIDENT: Tu es, wenn deine Klinge auch spitzig ist.

FERDINAND läßt Luisen fahren, und blickt fürchterlich zum Himmel: Du Allmächtiger bist Zeuge! Kein menschliches Mittel ließ ich unversucht – ich muß zu einem teuflischen schreiten – Ihr führt sie zum Pranger fort, unterdessen Zum Präsidenten ins Ohr rufend: erzähl ich der Residenz eine Geschichte, wie man Präsident wird. Ab.

PRÄSIDENT wie vom Blitz gerührt: Was ist das? – Ferdinand – Laßt sie ledig. Er eilt dem Major nach.

Dritter Akt

Erste Szene

Saal beim Präsidenten.

Der Präsident und Sekretär Wurm kommen.

PRÄSIDENT: Der Streich war verwünscht.

WURM: Wie ich befürchtete gnädiger Herr. Zwang erbittert die Schwärmer immer, aber bekehrt sie nie.

PRÄSIDENT: Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag gesetzt. Ich urteilte so: Wenn das Mädchen beschimpft wird, muß er, als Offizier, zurücktreten.

WURM: Ganz vortrefflich. Aber zum Beschimpfen hätt es auch kommen sollen.

PRÄSIDENT: Und doch – wenn ich es jetzt mit kaltem Blut überdenke – Ich hätte mich nicht sollen eintreiben lassen. Es war eine Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht hätte.

WURM: Das denken Sie ja nicht. Der gereizten Leidenschaft ist keine Torheit zu bunt. Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf zu Ihrer Regierung geschüttelt. Ich glaub's. Die Grundsätze, die er aus Akademien hieherbrachte, wollten mir gleich nicht recht einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Träumereien von Seelengröße und persönlichem Adel an einem Hof, wo die größte Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art, groß und klein zu sein. Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird seine Ambition in Bewegung setzen, als was groß ist und abenteuerlich.

PRÄSIDENT verdrüßlich: Aber was wird diese wohlweise Anmerkung an unserm Handel verbessern?

WURM: Sie wird Ewr. Exzellenz auf die Wunde hinweisen, und auch vielleicht auf den Verband. Einen solchen Charakter – erlauben Sie – hätte man entweder nie zum Vertrauten, oder niemals zum Feind machen sollen. Er verabscheut das Mittel, wodurch Sie gestiegen sind. Vielleicht war es bis jetzt nur der Sohn, der die Zunge des Verräters band. Geben Sie ihm Gelegenheit, jenen rechtmäßig abzuschütteln. Machen Sie ihn durch wiederholte Stürme auf seine Leidenschaft glauben, daß Sie der zärtliche Vater nicht sind,

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