Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 29)
Als zum Exempel?
WURM: Nach dem, was Ewr. Exzellenz mir von dem Auftritt in seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den Vater mit einem Halsprozeß zu bedrohen. Die Person des Günstlings und Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Schatten der Majestät – Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen dieser – Wenigstens will ich den armen Schächer mit diesem zusammengeflickten Kobold durch ein Nadelöhr jagen.
PRÄSIDENT: Doch – ernsthaft dürfte der Handel nicht werden.
WURM: Ganz und gar nicht – Nur insoweit als es nötig ist, die Familie in die Klemme zu treiben – Wir setzen also in aller Stille den Musikus fest – Die Not um so dringender zu machen, könnte man auch die Mutter mitnehmen – sprechen von peinlicher Anklage, von Schafott, von ewiger Festung, und machen den Brief der Tochter zur einzigen Bedingnis seiner Befreiung.
PRÄSIDENT: Gut! Gut! Ich verstehe.
WURM: Sie liebt ihren Vater – bis zur Leidenschaft möcht ich sagen. Die Gefahr seines Lebens – seiner Freiheit zum mindesten – die Vorwürfe ihres Gewissens den Anlaß dazu gegeben zu haben – die Unmöglichkeit, den Major zu besitzen – endlich die Betäubung ihres Kopfs, die ich auf mich nehme – es kann nicht fehlen – Sie muß in die Falle gehn.
PRÄSIDENT: Aber mein Sohn? Wird der nicht auf der Stelle Wind davon haben? Wird er nicht wütender werden?
WURM: Das lassen Sie meine Sorge sein, gnädiger Herr – Vater und Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen körperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheimzuhalten, und den Betrug zu bestätigen.
PRÄSIDENT: Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?
WURM: Nichts bei uns gnädiger Herr. Bei dieser Menschenart alles – Und sehen Sie nun, wie schön wir beide auf diese Manier zum Ziel kommen werden – Das Mädchen verliert die Liebe des Majors, und den Ruf ihrer Tugend. Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf, und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art, erkennen sie's noch zuletzt für Erbarmung, wenn ich der Tochter durch meine Hand ihre Reputation wiedergebe.
PRÄSIDENT lacht unter Kopfschütteln: Ja! ich gebe mich dir überwunden, Schurke. Das Geweb ist satanisch fein. Der Schüler übertrifft seinen Meister – – Nun ist die Frage, an wen das Billett muß gerichtet werden? Mit wem wir sie in Verdacht bringen müssen?
WURM: Notwendig mit jemand, der durch den Entschluß Ihres Sohnes alles gewinnen oder alles verlieren muß.
PRÄSIDENT nach einigem Nachdenken: Ich weiß nur den Hofmarschall.
WURM zuckt die Achseln: Mein Geschmack wär er nun freilich nicht, wenn ich Luise Millerin hieße.
PRÄSIDENT: Und warum nicht? Wunderlich! Eine blendende Garderobe – eine Atmosphäre von Eau de mille fleurs und Bisam – auf jedes alberne Wort eine Handvoll Dukaten – und alles das sollte die Delikatesse einer bürgerlichen Dirne nicht endlich bestechen können? – O guter Freund. So skrupulös ist die Eifersucht nicht. Ich schicke zum Marschall.
Klingelt.
WURM: Unterdessen, daß Ewr. Exzellenz dieses, und die Gefangennehmung des Geigers besorgen, werd ich hingehen, und den bewußten Liebesbrief aufsetzen.
PRÄSIDENT zum Schreibpult gehend: Den er mir zum Durchlesen heraufbringt, sobald er zustand sein wird. Wurm geht ab. Der Präsident