Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 30)

setzt sich zu schreiben; ein Kammerdiener kommt; er steht auf, und gibt ihm ein Papier. Dieser Verhaftsbefehl muß ohne Aufschub in die Gerichte – ein andrer von euch wird den Hofmarschall zu mir bitten.

KAMMERDIENER: Der gnädige Herr sind soeben hier angefahren.

PRÄSIDENT: Noch besser – Aber die Anstalten sollen mit Vorsicht getroffen werden, sagt ihr, daß kein Aufstand erfolgt.

KAMMERDIENER: Sehr wohl, Ihr' Exzellenz.

PRÄSIDENT: Versteht ihr? Ganz in der Stille.

KAMMERDIENER: Ganz gut, Ihr' Exzellenz. Ab.

Zweite Szene

Der Präsident und der Hofmarschall.

HOFMARSCHALL eilfertig: Nur en passant mein Bester – Wie leben Sie? Wie befinden Sie sich? – Heute abend ist große Opera Dido – das süperbeste Feuerwerk – eine ganze Stadt brennt zusammen – Sie sehen sie doch auch brennen? Was?

PRÄSIDENT: Ich habe Feuerwerks genug in meinem eigenen Hause, das meine ganze Herrlichkeit in die Luft nimmt – Sie kommen erwünscht, lieber Marschall, mir in einer Sache zu raten, tätig zu helfen, die uns beide poussiert oder völlig zugrund richtet. Setzen Sie sich.

HOFMARSCHALL: Machen Sie mir nicht angst, mein Süßer.

PRÄSIDENT: Wie gesagt – poussiert oder ganz zugrund richtet. Sie wissen mein Projekt mit dem Major und der Lady. Sie begreifen auch, wie unentbehrlich es war, unser beider Glück zu fixieren. Es kann alles zusammenfallen Kalb. Mein Ferdinand will nicht.

HOFMARSCHALL: Will nicht – will nicht – ich hab's ja in der ganzen Stadt schon herumgesagt. Die Mariage ist ja in jedermanns Munde.

PRÄSIDENT: Sie können vor der ganzen Stadt als Windmacher dastehen. Er liebt eine andere.

HOFMARSCHALL: Sie scherzen. Ist das auch wohl ein Hindernis?

PRÄSIDENT: Bei dem Trotzkopf das unüberwindlichste.

HOFMARSCHALL: Er sollte so wahnsinnig sein, und sein Fortune von sich stoßen? Was?

PRÄSIDENT: Fragen Sie ihn das und hören Sie, was er antwortet.

HOFMARSCHALL: Aber mon Dieu! Was kann er denn antworten?

PRÄSIDENT: Daß er der ganzen Welt das Verbrechen entdecken wolle, wodurch wir gestiegen sind – daß er unsere falschen Briefe und Quittungen angeben – daß er uns beide ans Messer liefern wolle – das kann er antworten.

HOFMARSCHALL: Sind Sie von Sinnen?

PRÄSIDENT: Das hat er geantwortet. Das war er schon willens ins Werk zu richten – Davon hab ich ihn kaum noch durch meine höchste Erniedrigung abgebracht. Was wissen Sie hierauf zu sagen?

HOFMARSCHALL mit einem Schafsgesicht: Mein Verstand steht still.

Präsident: Das könnte noch hingehen. Aber zugleich hinterbringen mir meine Spionen, daß der Oberschenk von Bock auf dem Sprunge sei, um die Lady zu werben.

HOFMARSCHALL: Sie machen mich rasend. Wer sagen Sie? Von Bock sagen Sie? – Wissen Sie denn auch, daß wir Todfeinde zusammen sind? Wissen Sie auch, warum wir es sind?

PRÄSIDENT: Das erste Wort, das ich höre.

HOFMARSCHALL: Bester! Sie werden hören und aus der Haut werden Sie fahren – Wenn Sie sich noch des Hofballs entsinnen – – es geht jetzt ins einundzwanzigste Jahr – wissen Sie, worauf man den ersten Englischen tanzte, und dem Grafen von Meerschaum das heiße Wachs von einem Kronleuchter auf den Domino tröpfelte – Ach Gott! das müssen Sie freilich noch wissen!

PRÄSIDENT: Wer könnte so was vergessen?

HOFMARSCHALL: Sehen Sie! Da hatte Prinzessin Amalie in der Hitze des Tanzes ein Strumpfband verloren.

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